Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

678 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. 
die Mitteldeutschen ledig seien. Im Frankfurter gesetzgebenden Körper 
fragte man murrend: warum verständige Kaufleute sich verpflichten sollten, 
zwölf Jahre lang nichts zu thun? Einflußreiche Firmen forderten den 
Anschluß an Preußen, selbstverständlich nicht zu gleichem Rechte: das 
mächtige Frankfurt sollte nur „einen Freihafen des preußischen Vereins“ 
bilden. Die Stadt litt schwer; Spedition und Fabriken begannen nach 
Offenbach überzusiedeln. Dennoch behauptete die österreichische Partei die 
Oberhand. Sachsen und Weimar, erschreckt durch den schwunghaften 
bairisch-preußischen Verkehr dicht neben ihren Grenzen, knüpften ihre 
Ratification an den Vorbehalt: vom Jahre 1835 müsse ihnen der Aus- 
tritt freistehen, falls bis dahin Preußen und Baiern zu einem Zollvereine 
sich verschmolzen hätten. Der rastlose Röntgen reiste von einer preußischen 
Gesandtschaft zur anderen, versuchte sich zu entschuldigen: wer hätte denn 
vor einem Jahre ahnen können, daß Preußen in der orientalischen Frage 
und in den Zollsachen eine so glückliche Rolle spielen würde? Als Mal- 
tzan allen Anzapfungen nur ein diplomatisches Schweigen entgegensetzte, 
fuhr der beleidigte Nassauer heraus: „Es ist unrecht auch den kleinsten 
Feind zu mißachten“ — worauf Jener verbindlich erwiderte: „Also Ihr 
seid unsere Feinde?“" Endlich genehmigte Nassau den Vertrag nur mit 
der Erklärung: als unbedingt verpflichtend könne er nicht gelten. So 
drohten Abfall und Verrath von allen Seiten her. 
Bei der verblendeten Selbstüberschätzung dieser Cabinette läßt sich's 
nicht leicht entscheiden, ob die drei führenden Mittelstaaten ernstlich hofften 
Zugeständnisse von Preußen zu erlangen, oder ob sie die Verhandlungen 
mit dem Berliner Hofe lediglich begannen um ihre unzufriedenen thürin- 
gischen Bundesgenossen zu beschwichtigen. Genug, das hannoversche Cabi- 
netsministerium richtete schon am 13. August an Bernstorff die Frage, ob 
Preußen mit den Verbündeten unterhandeln wolle, und fügte in der üb- 
lichen hochtrabenden Weise hinzu: „Der Verein sei wohl im Stande, 
solche Vortheile anzubieten, welche die Zugeständnisse aufwiegen dürften." 
In Berlin ergriff man die Gelegenheit, den Mitteldeutschen unumwunden 
die Meinung zu sagen und zugleich den nationalen Sinn der preußischen 
Handelspolitik ausführlicher als je zuvor darzulegen. Ein Ministerial- 
schreiben vom 31. Okt. 1829 hielt der hannoverschen Regierung ihr 
gehässiges unaufrichtiges Verfahren vor, schilderte drastisch den Handels- 
verein, der „nichts Gemeinsames habe als das Motiv, woraus er ent- 
sprang; im Uebrigen findet man nur ein Aggregat besonderer Interessen.“ 
Wesentliche Vortheile hat der Verein uns nicht zu bieten, es müßte denn 
sein, daß er den Verkehr zwischen unseren Provinzen erschweren wollte. 
„Vor dergleichen feindseligen Maßregeln hegt die preußische Regierung 
überhaupt keine Besorgniß.“" Mit Hannover allein sind wir bereit zu 
verhandeln, nicht mit einer Mehrzahl grundverschiedener Staaten. Preußen 
hat jetzt, nach den neuesten vortheilhaften Verträgen, noch weniger als
	        
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