Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

76 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's. 
die Ausgleichung doch allein den schwer heimgesuchten alten Landen zu 
gute gekommen wäre? Es blieb nichts übrig als das unbedachte Ver— 
sprechen zurückzunehmen und alle eigentlichen Communalschulden, mit ein— 
ziger Ausnahme der französischen Contributionsgelder, den Provinzen und 
Gemeinden zu überlassen.“) Den Communen der westlichen Provinzen 
wurde im Jahre 1822 die planmäßige Tilgung ihrer Schulden und die 
Nachzahlung der Rückstände gesetzlich anbefohlen. Nur ausnahmsweise, 
aus Billigkeitsgründen übernahm der Staat noch 7,9 Mill. Thlr. solcher 
Kriegsschulden für einige gänzlich hilflose Landestheile: die Kur= und Neu- 
mark, Ostpreußen und Lithauen; davon entfiel 1, Mill. auf das unglück- 
liche Königsberg — ein Tropfen auf einen heißen Stein. Ganz eigene 
Schwierigkeiten bot die Ordnung des Danziger Schuldenwesens. Die 
Stadt hatte in den sieben Jahren ihrer republikanischen Selbständigkeit 
eine Schuld von beinahe 12 Mill. Thlr. aufnehmen müssen, ihre Obli- 
gationen standen auf 33 ½ und Niemand wußte zu sagen, wie viel 
von jener Summe als Staatsschuld, wie viel als Commnnalschuld zu 
betrachten sei. Die Gemeinde war gänzlich verarmt, der preußische Staat 
aber konnte unmöglich zum Besten einer einzigen Stadt seine Staats- 
schuld um den zwanzigsten Theil vermehren. So entschloß man sich denn, 
in diesem einen Falle von dem Grundsatze der unbedingten Anerkennung 
aller Staatsschulden abzugehen. Die Danziger Schuld wurde, dem Börsen- 
kurse entsprechend, auf ein Drittel ihres Nennwerthes herabgesetzt; für 
die Verzinsung und Tilgung zahlte das Gebiet des ehemaligen Freistaats 
30,000 Thlr., der preußische Staat aber den ganzen Ueberschuß, den er 
aus diesem Gebiete bezog, 115,000 Thlr. jährlich. 
Alles in Allem betrug die Staatsschuld im Jahre 1822 etwa 20 Thlr., 
ihre Verzinsung etwa 25 Sgr. auf den Kopf der Bevölkerung, wahrlich keine 
leichte Last für ein armes Volk. Aber sie ward ertragen. Bis zum Jahre 
1848 wurden 173 ½ Mill. Zinsen gezahlt, 80 ½ Mill. vom Kapital getilgt 
und daneben noch der neue Staatsschatz angesammelt, der im Jahre 1835 
über 40 Mill. enthielt. — 
Fast noch wichtiger als der finanzielle war der politische Inhalt des 
Staatsschuldengesetzes, das nach Hardenberg's Ansicht nicht blos die Ord- 
nung im Staatshaushalte wieder herstellen, sondern auch den Abschluß 
des Verfassungskampfes sichern sollte. Im dritten Artikel der Verord- 
nung stand hinter der Bestimmung, daß der Staat mit allen seinen 
Domänen für die Schuld Gewähr leiste, der unscheinbare Zusatz: „mit 
Ausnahme der Domänen, welche zur Aufbringung des jährlichen Bedarfs 
von 2, Mill. für den Unterhalt der königlichen Familie erforderlich sind." 
Mit diesem beiläufigen Satze vollzog sich eine folgenreiche Veränderung 
des preußischen Staatsrechts. Die Krone hatte bisher die Bedürfnisse 
*) Protocolle des Staatsraths, 20., 27. März 1821 ff. 
 
	        
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