80 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's.
trugen, während vordem die Fahrzeuge der deutschen Ostseehäfen nur
selten einmal über Bordeaux und Lissabon hinausgelangten; sie eröffnete
den Webern des Riesengebirges zuerst den wichtigen Markt der südameri-
kanischen Kolonien, und da ihre Matrosen der Militärfreiheit genossen,
so erhielt sie dem Lande einen Stamm von erprobten einheimischen See-
leuten. Die Schattenseiten dieses Staatsbetriebes zeigten sich erst in einer
späteren Zeit, als Rother, seiner Erfolge froh, eine ganze Reihe ver-
schiedenartiger landwirthschaftlicher und industrieller Unternehmungen für
die Seehandlung erworben hatte.
Während also für die Herstellung des Staatscredits gesorgt wurde,
begann auch die Preußische Bank sich von ihrer Zerrüttung langsam zu
erholen. Wie glänzend hatte diese Schöpfung Friedrich's des Großen einst
dagestanden in dem behaglichen Jahrzehnt nach dem Baseler Frieden.
Aber ihre Blüthe war immer nur scheinbar. Unter der gedankenlosen Leitung
Schulenburg-Kehnert's hatte die Bank ihren eigentlichen Zweck, die Unter-
stützung des Handels durch Vorschüsse und die Beförderung des Geld-
umlaufs, ganz aus den Augen verloren und sich in eine große Sparkasse
verwandelt, welche die Kapitalien der Waisen und milden Stiftungen auf-
nahm, um sie an die Grundbesitzer, vornehmlich in den polnischen Landes-
theilen auszuleihen. Als Stein kurz vor dem Kriege von 1806 das
Finanzministerium übernahm, erkannte er sofort die Gefahr und verbot
der Bank ihr Kapital hypothekarisch festzulegen. Zu spät. Der Krieg
brach aus, die polnischen Provinzen standen auf und mit einem Schlage
fiel der Credit der Bank zusammen. Dann folgte noch der ruchlose Ge-
waltstreich der Bayonner Convention: Napoleon raubte — dem Art. 25
des Tilsiter Friedens offenbar zuwider — die auf den polnischen Gütern
haftenden Schuldforderungen der öffentlichen Anstalten Preußens und ver-
kaufte sie der sächsisch-polnischen Regierung. Die Bank verlor an 10 Mil-
lionen, volle zwei Fünftel ihrer gesammten Aktivmasse, namenloses Elend
brach über ihre Gläubiger herein. Jahrelang mußte sie ihre Zins-
zahlungen einstellen und ward überdies von der bedrängten Staatsgewalt
noch nach 1815 mehrmals zu Vorschüssen genöthigt. Erst am 3. Nov.
1817 wurde die Bank, auf Rother's Rath und gegen Bülow's Wider-
spruch, von der Finanzverwaltung abgetrennt und als eine selbständige
Creditanstalt unter der Aufsicht des Staatskanzlers und eines Curatoriums
neu geordnet. Aber wie hoffnungslos schien die Lage. Die seit der Kata-
strophe überaus nachlässig geführten Bücher wiesen einen Ueberschuß von
920,000 Thlr. nach. In Wirklichkeit bestand ein Deficit von 7,192 Mill.;
denn die Bank hatte über 26 Mill. Schulden zu verzinsen, und von
reichlich 27 Mill. Forderungen mußten, wie sich nach und nach heraus-
stellte, S8 Mill. als völlig werthlos abgeschrieben werden, im Augenblicke
trugen sogar 15¼ Mill. keinen Zins. Alle Welt erwartete, die nächsten
Jahre würden nur zu einer anständigen Liquidation benutzt werden.