Kirchenpolitische Gesetzentwürfe. 713
k. Maj. erhabener Leitung vorbehalten ist.“ Friedrich Wilhelm schrieb an
den Rand: „d. h. mit der gehörigen Vorsicht und ohne gewisse Grenzen zu
überschreiten;“ im übrigen dankte er ihnen für ihren „höchst lobenswerten
Freimut“.*) Er ahnte dunkel, daß die Dinge leider so einfach nicht
lagen, daß die Staatsgewalt wirklich nicht für das Licht kämpfte, wenn sie
katholische Väter schlechterdings hindern wollte, ihre Kinder evangelisch zu
erziehen. Jenen strengen Territorialisten traten andere namhafte Beamte
gegenüber, so Geh. Rat Göschel, der hochkonservative Hegelianer, und
der halbklerikale Schmedding. über Schmeddings eigentliche Meinung
ließ sich schwer ins klare kommen. Die rheinischen Ultramontanen trau—
ten ihm keineswegs; Kaplan Michelis sagte in einem jener aufgefundenen
vertrauten Briefe: „er war von jeher unter dem Scheine eines guten
Katholiken die Pest für unsere Kirchenfreiheit.“ Doch mit der Behand—
lung der beiden Erzbischöfe war er durchaus nicht einverstanden; er fand
die Verhaftung Dunins ebenso ungerechtfertigt, wie die Absetzung, und
wünschte an den Beratungen über die Ausführung des Posener Straf—
erkenntnisses nicht teilzunehmen. Durch Gelegenheitsgesetze einem augen—
blicklichen Notstande abzuhelfen, hielt er für verkehrt: „Schwerlich dürften
eigentliche Gesetze aus der reinen hohen Atmosphäre, der die Gesetz-
gebung angehört, in den tieferen Dunstkreis hinabzuziehen und als Streit-
waffe zu gebrauchen sein.“)
Da die Meinungen unter den Beamten so weit auseinandergingen
und Altenstein keinen durchschlagenden Entschluß fand, so wurde der
König immer unsicherer und verschob die Unterzeichnung der sechs Gesetze.
Um sich genau zu unterrichten, ließ er bei den befreundeten deutschen
Höfen Erkundigungen über ihre Kirchenpolitik einziehen. Diese wohlge-
meinten Anfragen sollten für Preußen auf lange hinaus verhängnisvoll
werden. König Wilhelm von Württemberg, der als Voltairianer diesen
leidigen Pfaffenstreit gern aus der Welt geschafft hätte, ging auf die Fragen
des preußischen Gesandten von Rochow eifrig ein und sagte ihm: „Mit einer
Macht wie diejenige des Papstes, die so viele heimliche Alliierte hat, ist bös
anzubinden; jeder katholische Einwohner ist mehr oder weniger ein Agent
dieser fremden Macht;“ darum müsse vor allem das Mißtrauen des katho-
lischen Volks gegen die evangelische Dynastie überwunden werden; dies
sei nur möglich, wenn man, wie in Württemberg und Baden, die Auf-
sicht über die römische Kirche einem besonderen Kirchenrate anvertraue,
der ausschließlich aus katholischen Mitgliedern bestehe. Sein erfahrener
Minister Schlayer stimmte ihm lebhaft bei. Der kluge Württemberger
hatte ganz recht, wenn er dem Preußen sagte: in Süddeutschland kennt
*) Denkschrift der sechs Oberpräsidenten vom 26. Nov. 1838.
**) Schmeddings Denkschriften, 2. März, 25. April; Schmedding an Altenstein,
20. Juli 1839.