Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

66 IV. 1. Die Juli-Revolution und der Weltfriede. 
bündnis mit Österreich schloß und der neue König Karl Albert von 
Carignan — derselbe, der einst vor der Rache des Wiener Hofes bei 
den französischen Bourbonen Schutz gesucht hatte — sich in tödlichem 
Hasse von Frankreich abwendete. Dann warf sich die französische Pro- 
paganda auf Mittelitalien. Sendboten der Pariser Geheimbünde über- 
schwemmten das Land, Ludwig Philipp selber zahlte Geld an die Ver- 
schwörer — freilich nur eine bettelhafte Summe, nach der geizigen Weise 
der Orleans; und noch betörender wirkte der in Paris so prahlerisch ver- 
kündigte Grundsatz der Nichteinmischung. Die Verschworenen glaubten 
fest, Osterreich könne keine Einmischung wagen, weil Frankreich die Re- 
volution mit seinen Waffen schirmen würde — dies versicherte ihnen der 
alte Unheilstifter Lafayette heilig — und mit den elenden Truppen ihrer 
Kleinfürsten und Priester meinten sie leicht fertig zu werden. 
Also auf Frankreichs Schutz vertrauend, wagten sie den Kampf. 
Im Laufe des Februar wurden die kleinen Despoten von Modena und 
Parma verjagt; die Romagna, Umbrien, die Marken, volle vier Fünftel 
des Kirchenstaates schüttelten das unerträgliche Joch des Papsttums ab. 
In Bologna wie in Modena trat eine revolutionäre Regierung zusammen, 
und aus den wirr durcheinander flutenden Hoffnungen und Entwürfen 
der Patrioten ließ sich doch schon erkennen, daß der nationale Gedanke 
in diesem edlen Volke klarer, greifbarer, bestimmter wurde, seit er aus 
dem aufgeregten Süden nach dem ruhigeren Norden hinüberdrang. Keine 
Rede mehr von den Parteifarben der Carboneria, die vor zehn Jahren in 
Neapel geprangt hatten. Das nationale Banner des Königreichs Italien 
wehte überall in den befreiten Landen, die sich stolz die Vereinigten Pro- 
vinzen Italiens nannten; der Name des großen Stifters jenes König- 
reichs war in aller Munde. Zwei seiner Neffen, die jungen Söhne 
Ludwig Napoleons, bemerkte man inmitten der Aufständischen, zu Rosse, 
auf grünweißroten Schabracken; manche der Verschworenen vermaßen 
sich schon, den König von Rom aus Wien herbeizurufen. 
Wunderbar, wie nun plötzlich dem Wiener Hofe die Schwingen 
wuchsen. Bei den Wirren der letzten Monate hatte er fast nur die Rolle 
des Chors in der Tragäödie gespielt; jetzt zeigte sich Osterreich ganz als 
italienische Macht. In der Beherrschung der Halbinsel sah Kaiser Franz 
die stärkste Stütze seines Reichs, aus den italienischen Besitzungen floß 
seinen Erzherzogen der größte Teil ihrer Reichtümer zu. Metternich 
suchte, da er für die Leiden Italiens nie ein Auge hatte, den einzigen 
Grund der Bewegung in der heillosen Doktrin der Nichteinmischung; 
er wollte, indem er die Revolution niederschlug, zugleich diese neue Völker- 
rechtslehre durch die Tat widerlegen, und als ihm sein Schlag gelungen 
war, rief er stolz: Das erste österreichische Bataillon in Italien hat die 
Lehre der Nichteinmischung zu Boden geschmettert.) Wohl war das 
*) Metternich an Ficquelmont, 29. April 1831. 
 
	        
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