XXII. Das Frankfurter Attentat. 747
furter Metzgern zu öffnen und das Sturmläuten zu besorgen. Einzelne Frankfurter
sollten verschiedene Herren der städtischen Regierung und Polizei arretieren.
Am 3. abends versammelten wir von der ersten Rotte uns in der Wohnung
Bunsens, in der Münze. Wir erhielten dort Flinten und eine Anzahl Patronen und
Punkt 9 Uhr brachen wir, etwa 15 Mann hoch, auf über den Roßmarkt zur Haupt—
wache, die stärker besetzt war als gewöhnlich, denn die Frankfurter Behörden hatten Wind
bekommen, es solle heute losgeschlagen werden. Wir stürzten uns sofort auf die außer—
halb aufgestellten Flinten und nahmen sie weg; es fielen einige Schüsse. Der Leutnant,
der auf der Wache das Kommando hatte, flüchtete durch ein hinteres Fenster, als wir
in die Stube drangen. Damit war hier die Sache fertig. Man hörte Sturmläuten.
Eine Masse Volk sammelte sich vor der Hauptwache, aber niemand ließ sich bewegen, von
den Flinten zu ergreifen und mit uns zu helfen an der Befreiung Deutschlands. Die
entwaffneten Soldaten verhielten sich ebenfalls passiv. Wir warteten nun eine Zeitlang
untätig den weiteren Verlauf der Dinge ab, bis wir von der Zeil her Schüsse hörten
und sich das Gerücht verbreitete, es rücke Militär heran. Wir zogen nun die Zeil hinab
gegen die Konstabler-Wache und hier entspann sich ein kleines Gefecht; es wurde herüber
und hinüber geschossen. Die Kanonen konnten glücklicherweise nicht verwendet werden,
da der betreffende Herr den Schlüssel zum Zeughaustor nicht fand. Wir paar Stu—
denten, die noch vor der Konstabler-Wache beisammen waren, hielten bald für geraten,
der großen Überzahl zu weichen. Wir gingen die Allerheiligenstraße hinaus bis zum
Hanauer Tor, wo alles still war; hier legten wir unsere Flinten vorläufig in einem
im Bau begriffenen Hause ab und gingen wieder gegen die Zeil vor; wir fanden die
Konstabler-Wache stark von Militär besetzt; ebenso die Hauptwache; Patrouillen durch-
zogen die Straßen und der regierende Bürgermeister kam in offener Chaise daher ge-
fahren, an das Volk, das herbeigeströmt war, beruhigende Reden haltend. Schließlich
ging ich etwa halb elf in den Gasthof zurück, wo ich meine Freunde antraf. Wir be-
rieten, was tun, und waren der Ansicht, ruhig abzuwarten, was weiter geschehe und
für uns zu tun sei. Ich speziell dachte nicht daran mich zu verbergen, was ich wohl
leicht hätte tun können bei unseren Ebenauvettern. Wir gingen zu Bett. Als ich mich
auszog, fand sich mein linker Hemdärmel blutig und zerrissen. In einer ziemlich ober-
flächlichen Wunde am linken Oberarm stak eine breitgeschlagene Kugel; ich hatte einen
Prellschuß erhalten und in der Aufregung nichts davon gespürt. Ich ließ mir mittelst
Heftpflaster, das ich bei mir trug, die Wunde verbinden, und war wenigstens so vorsichtig,
das blutige Hemd in den Abtritt zu werfen. Ich schlief gut. Mitten in der Nacht ge-
weckt, sah ich Polizeimänner vor meinem Bett stehen. Ich wurde nach meinem Na-
men gefragt und nach der Absicht meines Hierseins. Ich gab an, ich sei auf der
Reise zu Verwandten im Nassauischen. Man bedeutete mir, ich sei so gut wie arretiert,
dürfe einstweilen nicht weggehen. Polizeidiener bewachten uns in den Hausgängen. Am
anderen Morgen wurden wir einzeln abgeholt und auf die Konstabler-Wache geführt.
Hier ward ich in ein Gefängnis gesperrt aus Mangel an Platz zu einem wegen Preß-
unfug inhaftierten Frankfurter Bürger Namens Rottenstein. Dessen Frau brachte ihm
täglich Bier und mittags Kaffee. — Er teilte dies, so wie sein Bett, redlich mit mir.
Die blecherne Kaffeekanne hatte einen doppelten Boden, und derart wurden kleine Be-
dürfnisse, Papier, Bleistift usw. eingeschmuggelt, und ich kam in Korrespondenz mit
außen, insbesondere mit einem Fräulein Stolze, die ich nie gesehen. So erhielten wir
auch Nadel und Faden, womit mir Rottenstein das Loch im linken Rockärmel sehr kunst-
gerecht zunähte.
Am 5. April sah ich von meinem Fenster aus (es waren noch keine Kasten davor
angebracht) eine größere Zahl Bauern die Friedberger Straße her unter militärischer Be-
deckung einziehen. Es waren das die Bauern, meist von Bonames, die am Abend des
3. April das Friedberger Tor gestürmt hatten und jetzt eingesteckt wurden. Unter dem
warmen Bedauern für diese armen Teufel, die, jedenfalls ohne zu wissen wie, zu Hochver-