Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Ulm und Rastatt. 103 
nur erschweren.) In der Tat mußte Preußen wieder ins Mittel treten. 
Radowitz der vielgeplagte reiste im Januar 1842 nochmals nach Wien, 
München, Stuttgart und brachte mit unsäglicher Mühe einen Vergleich 
zu stande, kraft dessen Württemberg den Gouverneur, Bayern den Kom- 
mandanten der zukünftigen Festung ernennen sollte.) Ein Glück nur, 
daß der preußische Major Prittwitz, einer der tüchtigsten Ingenieure 
aus Asters Schule, sich durch sein anspruchsloses Wesen und unbestreit- 
bares Talent das persönliche Vertrauen König Wilhelms gewann; so 
ließ man ihn bei seinen Ulmer Bauplänen ziemlich frei gewähren. 
Im Oktober 1844 wurde der Grundstein für die beiden Festungen 
gelegt, und nunmehr schritt der Bau langsam, aber ununterbrochen vorwärts. 
Rothschild mußte die 20 Mill. Fr., die ihm so vielen Segen gebracht, nach 
und nach herauszahlen; er hatte sie in den letzten Jahren, auf Preußens 
Andringen, etwas höher als früher, mit 3—3½⅛½ Prozent verzinst; jetzt 
zog er bei jeder Rückzahlung ½ Prozent Provision ab, und der Bundes- 
tag ließ sich diese vertragswidrige Ubervorteilung gefallen, weil die Frank- 
furter Bankiers, die es mit dem mächtigen Hause nicht verderben wollten, 
inbrünstig beteuerten, günstigere Bedingungen könne niemand stellen.",) 
Das war das einzige wertvolle Geschenk, das der Deutsche Bund 
seinem begeisterten königlichen Verehrer verdankte, und es ward dargebracht 
mit einer Großmut, welche der wohlberechtigten Ansprüche Preußens gar 
nicht gedachte. Friedrich Wilhelm versuchte nicht einmal, für seine Truppen 
das Mitbesatzungsrecht in den oberdeutschen Bundesfestungen zu fordern, 
sondern bewilligte ganz unbedenklich, daß Osterreich im Frieden für Ulm 
einen Teil der Artillerie, für Rastatt die Pioniere, im Kriege für beide 
Festungen ein Drittel der Besatzung stellen sollte; ließ man die Oster- 
reicher also bis zum Oberrhein vorgehen, so schien der preußische Staat 
auf die Verteidigung Süddeutschlands, die er doch 1831 und 1840 für 
sich gefordert hatte, für die Zukunft freiwillig zu verzichten. Daß Rastatt 
jemals, so wie es im Jahre 1870 wirklich geschah, einen Angriff auf Straß- 
burg unterstützen könnte, ward noch gar nicht als möglich angenommen; 
nur Verteidigungszwecken sollte die neue Bundesfestung dienen und auch 
die Arbeiten der süddeutschen Generalstabsoffiziere erörterten immer nur 
die klägliche Frage, wohin man sich bei einem französischen Angriffe 
zurückziehen müsse. 
Seit im Frühjahr 1841 die Kriegsrufe der Franzosen schwächer wurden, 
ließ der politische Eifer der kleinen Höfe überall nach; sie alle priesen sich 
im stillen glücklich, daß der Deutsche Bund wieder in seine Nichtigkeit 
zurücksank. Baden hatte noch zu Anfang des Jahres einen recht ver- 
  
*) Bülows Bericht, Frankfurt 24. Dez. 1841. 
**) Rochows Bericht, 16. Febr. 1842. 
*““) Berichte von Bülow, 7. März 1842, von Dönhoff, 2. Febr. 1847.
	        
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