150 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
Leute treu ergeben war. Arnim wurde für diese Stelle ausgewählt, weil
er mehrere der angesehensten Edelleute der Provinz von der Universität
her kannte und als Regierungspräsident in Aachen mit den aufgeregten
Katholiken gut ausgekommen war; zu der liebenswürdigen Gräfin sagte
der König, sie solle ihm die Herzen der Polen gewinnen. Der neue
Oberpräsident zeigte sich als trefflicher Geschäftsmann und hielt ein großes
Haus; seine gemessene Ruhe behagte vielen mehr als das ungestüme
Wesen Flottwells, der, wie er selbst gestand, gern mit jungen Pferden
fuhr, seine raschen Entschlüsse am liebsten durch feurige junge Männer
ausführen ließ. Das dem Monarchen überreichte Programm der neuen
Verwaltung sagte behutsam: das Großherzogtum dürfe nur als Provinz
behandelt, das Ziel der Germanisierung nie aus den Augen verloren
werden, obwohl man die Polen schonen und allein edle Mittel anwenden
wolle; denn das für Preußen wesentliche Deutschtum sei auch in Posen,
wie Fürst Sulkowski selbst zugestehe, der Träger aller Kultur. Darum
solle, unter Vermeidung jedes Zwanges, das Deutsche doch Staatssprache
bleiben und in allen Schulen nach Bedarf als Haupt= oder Nebensprache
gelehrt werden; der Kirche müsse man, unbekümmert um die öffentliche
Meinung, nach dem Befehle des Königs ihr volles Recht gewähren, aber
auch nicht mehr.)
Selbst diese sanften Worte klangen dem Monarchen noch zu deutsch;
er antwortete mit der Mahnung: „jeden Anschein einer versuchten Ver-
drängung oder Beeinträchtigung des polnischen Elements durch das deutsche
zu vermeiden.“)Mangelhaft unterrichtet, empfahl er seinem Oberprä-
sidenten das löbliche Beispiel der Franzosen im Elsaß, während in Wahr-
heit die Welschen gegen das Deutschtum weit schärfer vorgingen als die
Deutschen gegen das Slawentum: längst waren in den elsasser Volks-
schulen durchweg französische Lehrbücher eingeführt; jetzt verlangte die
Pariser Regierung auch französische Sprache für den Religionsunterricht,
so daß außer den Protestanten, die allezeit tapfer für ihre lutherische
Bibel stritten, auch der schmiegsame Bischof Räß von Straßburg erbittert
wurde und der Krone erwiderte, sein Gewissen verbiete ihm, die Religions-
stunden anders als in der Muttersprache der Kinder erteilen zu lassen.
Graf Arnim aber lernte bald durch schmerzliche Enttäuschungen, daß er
das launische, nach Weiberart bald trotzende, bald schmeichelnde Polentum
minder richtig beurteilt hatte als sein in dieser Grenzerwelt aufgewachsener
Vorgänger. Die polnischen Jugendfreunde, von denen er so viel Hilfe
erwartet hatte, zeigten ihm wie allen königlichen Beamten nur glatte Höf-
lichkeit, doch weder Vertrauen noch guten Willen. Der kluge und edle
*) Oberlandesgerichts-Präsident v. Franckenberg-Ludwigsdorfan Thile, 27. Aug. 1841.
**) Graf Arnim, Denkschrift über die Verwaltung Posens, 30. Juni 1841 dem
Könige überreicht.
*“*) Kabinettsordre an Arnim, 21. Juli 1841.