Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

150 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung. 
Leute treu ergeben war. Arnim wurde für diese Stelle ausgewählt, weil 
er mehrere der angesehensten Edelleute der Provinz von der Universität 
her kannte und als Regierungspräsident in Aachen mit den aufgeregten 
Katholiken gut ausgekommen war; zu der liebenswürdigen Gräfin sagte 
der König, sie solle ihm die Herzen der Polen gewinnen. Der neue 
Oberpräsident zeigte sich als trefflicher Geschäftsmann und hielt ein großes 
Haus; seine gemessene Ruhe behagte vielen mehr als das ungestüme 
Wesen Flottwells, der, wie er selbst gestand, gern mit jungen Pferden 
fuhr, seine raschen Entschlüsse am liebsten durch feurige junge Männer 
ausführen ließ. Das dem Monarchen überreichte Programm der neuen 
Verwaltung sagte behutsam: das Großherzogtum dürfe nur als Provinz 
behandelt, das Ziel der Germanisierung nie aus den Augen verloren 
werden, obwohl man die Polen schonen und allein edle Mittel anwenden 
wolle; denn das für Preußen wesentliche Deutschtum sei auch in Posen, 
wie Fürst Sulkowski selbst zugestehe, der Träger aller Kultur. Darum 
solle, unter Vermeidung jedes Zwanges, das Deutsche doch Staatssprache 
bleiben und in allen Schulen nach Bedarf als Haupt= oder Nebensprache 
gelehrt werden; der Kirche müsse man, unbekümmert um die öffentliche 
Meinung, nach dem Befehle des Königs ihr volles Recht gewähren, aber 
auch nicht mehr.) 
Selbst diese sanften Worte klangen dem Monarchen noch zu deutsch; 
er antwortete mit der Mahnung: „jeden Anschein einer versuchten Ver- 
drängung oder Beeinträchtigung des polnischen Elements durch das deutsche 
zu vermeiden.“)Mangelhaft unterrichtet, empfahl er seinem Oberprä- 
sidenten das löbliche Beispiel der Franzosen im Elsaß, während in Wahr- 
heit die Welschen gegen das Deutschtum weit schärfer vorgingen als die 
Deutschen gegen das Slawentum: längst waren in den elsasser Volks- 
schulen durchweg französische Lehrbücher eingeführt; jetzt verlangte die 
Pariser Regierung auch französische Sprache für den Religionsunterricht, 
so daß außer den Protestanten, die allezeit tapfer für ihre lutherische 
Bibel stritten, auch der schmiegsame Bischof Räß von Straßburg erbittert 
wurde und der Krone erwiderte, sein Gewissen verbiete ihm, die Religions- 
stunden anders als in der Muttersprache der Kinder erteilen zu lassen. 
Graf Arnim aber lernte bald durch schmerzliche Enttäuschungen, daß er 
das launische, nach Weiberart bald trotzende, bald schmeichelnde Polentum 
minder richtig beurteilt hatte als sein in dieser Grenzerwelt aufgewachsener 
Vorgänger. Die polnischen Jugendfreunde, von denen er so viel Hilfe 
erwartet hatte, zeigten ihm wie allen königlichen Beamten nur glatte Höf- 
lichkeit, doch weder Vertrauen noch guten Willen. Der kluge und edle 
*) Oberlandesgerichts-Präsident v. Franckenberg-Ludwigsdorfan Thile, 27. Aug. 1841. 
**) Graf Arnim, Denkschrift über die Verwaltung Posens, 30. Juni 1841 dem 
Könige überreicht. 
*“*) Kabinettsordre an Arnim, 21. Juli 1841. 
 
	        
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