158 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
Finanzverwaltung einzuziehen, da zwei so ausgezeichnete Beamte, beide noch
im kräftigsten Alter, persönlich befreundet und in ihren handelspolitischen
Grundsätzen ganz gleichgesinnt, die Zügel ergriffen.
Ungleich wichtiger als alle diese Änderungen erschien der öffentlichen
Meinung der hartnäckige Kampf zwischen Schön und Rochow. Dessen
Ausgang, so glaubte alle Welt, mußte über den Charakter der neuen Re—
gierung endlich entscheiden. Rochow galt nun einmal für den Banner—
träger der Reaktion. Nicht ganz mit Recht. Eben jetzt vollendete er,
durchaus nach den Wünschen des Provinziallandtages, die Landgemeindeord-
nung für Westfalen vom 31. Okt. 1841, die an die Stelle von vier
rheinbündisch-französischen Gemeindegesetzen trat und offenbar eine Mittel-
linie einhalten sollte zwischen dem napoleonischen Verwaltungsdespotismus
und der patriarchalischen Selbstverwaltung des Ostens. Die althistorischen
Ortsgemeinden wurden wiederhergestellt, sofern sie eigenen Haushalt be-
saßen; den Gemeindevorsteher ernannte der Landrat, nach französischem
Brauche, die Gemeinderäte jedoch sollten fortan von den Meistbeerbten
frei gewählt werden und erhielten erweiterte Befugnisse. Eine oder meh-
rere Gemeinden bildeten einen Landesverwaltungsbezirk, das Amt, unter
einem ernannten Amtmann. Die Rittergüter konnten in der Regel nur
mit Zustimmung beider Teile aus dem Gemeindeverbande ausscheiden.
Das Gesetz zeigte gar nichts von staatsmännischen Gedanken; es war
der Notbehelf eines wohlmeinenden Beamtentums, das den im Westen
vorherrschenden und darum liberal genannten Anschauungen nach Kräften
entgegenzukommen suchte. Aber auch dies Zugeständnis an den Liberalis-
mus vermochte den Haß, der auf Rochows Namen lastete, nicht zu sänf-
tigen. Und ihm gegenüber stand Schön, der Abgott der Zeitungen.
Der hatte die Verhandlungen des jüngsten ostpreußischen Landtags
durch seine Getreuen sehr klug geleitet; denn er stand dem Könige per-
sönlich dafür ein, daß unter den Ständen seines Lieblingslandes kein un-
ehrerbietiges Wort fallen sollte. Nichtsdestoweniger fuhr er fort, die radi-
kale Verstimmung, die in Königsberg seit dem Erscheinen der Vier Fragen
überhandnahm, geflissentlich zu schüren durch seine maßlose Tadelsucht,
durch sein hoffärtiges Absprechen über alles, was aus Berlin kam, neuer-
dings auch durch geheimnisvolle Andeutungen über des Königs Ver-
fassungspläne. Mehrmals warnte General Wrangel die Krone vor diesem
aufreizenden Treiben des Oberpräsidenten; immer ward ihm die Antwort,
dem Freunde des Königs sei nichts Arges zuzutrauen. Mit seinem Vor-
gesetzten Rochow war Schön bereits seit dem Huldigungslandtage gänz-
lich zerfallen. Jetzt sandte Rochow eine gehässige Anfrage wegen eines
albernen radikalen Gedichts, das dem Oberpräsidenten zusang, er habe
„das große Wort der Freiheit uns gelehrt.“ Schöns Erwiderungen
wurden immer gröber; es schien, als ob er den Minister verhöhnen
wollte. Zugleich verklagte er ihn, freimütig, aber ohne irgend einen Be-