164 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
hielt der mit Bötticher nahe befreundete Graf Friedrich Dohna, Scharn—
horsts Schwiegersohn, ein alter treuer Genosse des Gerlach-Stolbergschen
Kreises; er konnte, schon weil er dem altbeliebten ostpreußischen Grafen-Ge-
schlechte angehörte, leichter als Wrangel in Königsberg Boden gewinnen
und trat der Partei Schöns zwar in etwas milderen Formen, doch ebenso
bestimmt entgegen wie sein Vorgänger. Zu Wrangel aber sagte der König
noch in diesem Sommer vertraulich: er habe ihn leider einen Augenblick
verkannt und jetzt erst durch bittere Erfahrungen gelernt, daß Schön mit
seinen Freunden in der Tat sehr gefährlich wirke.
Die Stimmung des entlassenen Oberpräsidenten verbitterte sich mehr
und mehr. Er mahnte Boyen an das schöne Beispiel Esparteros, der die
Garde aufgehoben habe, er empfahl den Freigeist Alexander Humboldt zum
Kultusminister; er versicherte dreist, Preußen hätte drei Millionen Taler
für Don Carlos bezahlt und fand des Scheltens wider die Rotte Korah gar
kein Ende mehr. Die große Mehrzahl der Ostpreußen empfand Schöns Ver—
abschiedung wie eine Beleidigung des Landes. Die Stadt Königsberg verlieh
ihm alsbald das Ehrenbürgerrecht, die Ritterschaft wählte ihn zum Abgeord-
neten für den Provinziallandtag; die Königsberger Hartungsche Zeitung, die
jetzt anfing Leitartikel unter der Überschrift „Inländische Zustände“ zu
bringen, verherrlichte den Gestürzten und schlug gegen die Krone einen ge-
reizten, fast drohenden Ton an. Da fürchtete der König, Schön könnte auf
dem nächsten Landtage die Führung der Opposition übernehmen. Um vorzu-
beugen, sendete er ihm zu Weihnachten (21./27. Dez.) einen neun Folio-
seiten langen Brief, eine feurige Ansprache, worin sich das alte noch immer
nicht erloschene Freundschaftsgefühl mit verhaltenem Unwillen und schmei-
chelnder Weiberschlauheit gar seltsam vermischte. Halb zweifelnd, halb ver-
trauend sprach er die Erwartung aus, daß Schön unter den Landständen
die Vergiftung der öffentlichen Meinung bekämpfen würde. „In meinem
geliebten Ostpreußen allein herrscht schnöder Friedel! In dem Lande,
welches Gott der Herr als ein Bollwerk teutschen Wesens in das slawische
und sarmatische Wirrleben vorgeschoben hat, wird das teutsche Wort in
Bann, ja in schimpfliche Bande getan durch eine Clique, die mit Fran-
zosen-Sinn und Franzosen-Mitteln wirkt: mit Lüge! mit Lüge! . Sehen
Sie, lieber Schön, die Lüge, vor der fürchteichmich.“ Dieser Clique,
die doch unzweifelhaft zu seiner eigenen Partei gehörte, sollte Schön ent-
gegentreten im Verein mit edlen treuen Männern und laut verkünden: „daß
das Vorgeben dem König zu dienen, den König zu lieben
eine infame Lüge ist, wenn man zugleich seine Regierungs-
Maschine, die Ausführer seiner Absichten antastet undals
Feindedes Volks unddes Lichtsdarstellt.“ Insbesondere sollte
Schön die unter Mißbrauch seines Namens umhergetragene Lüge widerlegen,
daß der König konstitutionelle Pläne hegte: „Ich will keine Felonie
gegen meinen treuen Lehnsherrn reibern und weder von einem