Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

172 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung. 
fange. Zu den Manövern der beiden deutschen Armeekorps sodann kamen 
Offiziere aus fast allen Ländern Europas, mehrere der benachbarten Fürsten 
erschienen persönlich; nur der Großherzog von Baden entschuldigte sein 
Ausbleiben, er durfte sich von den liberalen Kammerrednern nicht nachsagen 
lassen, daß er preußischen Ratschlägen folge.') Von den kriegerischen 
Übungen reiste der König alsdann zu dem Feste der zweiten Grundstein- 
legung des Kölner Doms. Auch Sulpiz Boisseree wollte an seinem Ehren- 
tage nicht fehlen, und wie erstaunte er, da er nach langjähriger Abwesen- 
heit die Heimat wiedersah; alles war anders geworden unter der preu- 
ßischen Herrschaft, die wieder aufgeblühten alten Städte und der mächtige 
Verkehr auf dem befreiten Strome, anders auch die Gesinnung des Volkes. 
Einst in den napoleonischen Zeiten hatten die Kölner über ihn die Ach- 
seln gezuckt, wenn er ihnen von der Erhaltung ihres ewigen Domes sprach, 
und es keineswegs befremdlich gefunden, daß der französische Bischof Ber- 
dollet die alte gotische Steinmasse ganz abzutragen dachte; jetzt drückten 
alle dem Herausgeber des Domwerkes freudig die Hand, alle meinten, 
den unvergleichlichen Bau wiederherzustellen, sei eine Ehrenpflicht der 
Provinz. Und daß es so stand, daß die Rheinländer ihrer eigenen großen 
Vorzeit wieder liebevoll in die Augen zu sehen wagten, das verdankten 
sie der Krone Preußen, die dies Land seinem halbwelschen Sonderdasein 
entrissen und in die Strömung des nationalen Lebens zurückgeleitet hatte. 
Gedanken, die aus der Literatur verschwinden, klingen in den Sitten 
der Gesellschaft oft noch lange nach; so waren auch die romantischen 
Stimmungen, obgleich die Chorführer der Dichtung längst andere Wege 
gingen, am Rheine noch sehr mächtig. Eben in diesen Jahren sang Karl 
Simrock unter dem Jubel seiner Landsleute die schalkhafte Warnung vor 
dem Rhein: 
An den Rhein, an den Rhein, zieh nicht an den Rhein, 
Mein Sohn, ich rate dir gut. 
Da geht dir das Leben zu lieblich ein, 
Da blüht dir zu freudig der Mut. 
Niemals früher waren die alten Gemäuer der rheinischen Schlösser so viel 
besucht und gepriesen worden wie jetzt, da die neuen Dampfbote täglich wein- 
seliges junges Volk, Maler aus Düsseldorf, Studenten aus Bonn, Sänger 
aus Köln rheinaufwärts führten. Prinz Friedrich von Preußen ließ den 
Rheinstein, Bethmann-Hollweg die Burg Rheineck wieder aufbauen, Graf 
Fürstenberg auf dem Apollinarisberge die weithin das Stromtal beherr- 
schende prächtige gotische Kirche errichten; auf den Mahnruf Ferdinand 
Freiligraths, der in Unkel beim roten Bleichert glückliche Dichtertage 
verträumte, wurden Sammlungen veranstaltet, um den eingestützten Fen- 
sterbogen der Burg Rolandseck herzustellen; bald nachher entstand auch 
der Königsstuhl von Rhense aus seinen Trümmern wieder. Aus diesen 
*) Radowitzs Bericht, 20. Aug. 1842.
	        
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