208 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
um den unaufgeklärten Teil des Volks aufzuregen, ist mein Amt zu heilig
und meine Liebe zur Wahrheit zu lebendig.““) Noch härter wurde
Wilibald Alexis angelassen, als er sich seiner unschuldigen Vossischen Zei-
tung gegen die Zensur annahm. „Mit Widerwillen“, schrieb ihm der König,
„habe ich einen Mann von Ihrer Bildung und literarischen Bekanntheit
in der Klasse derer gefunden, die es sich zum Geschäft machen, die Ver-
waltung des Landes durch hohle Beurteilung ihres Tuns, durch unüber-
legte Verdächtigung ihres nicht von ihnen begriffenen Geistes vor der
großen meist urteilslosen Menge herabzusetzen und dadurch ihren schweren
Beruf noch schwerer zu machen.“ Das Schreiben wurde bald bekannt,
und selbst General Gerlach meinte traurig: den treuen, von den Liberalen
so oft servil gescholtenen Dichter der Marken hätte man so nicht behan-
deln sollen.
Der König betrachtete alle diese Verbote nur als Ausnahmemaßregeln
für den Augenblick und versammelte mittlerweile seine Minister, auch Ra-
dowitz und Gerlach, häufig zu Beratungen über einen neuen Zensur-
gesetz-Entwurf, den Graf Arnim ausgearbeitet hatte. ) Er hoffte dadurch
— so erklärte er fröhlich — die Freiheit der Zukunft zu verkündigen und vor-
zubereiten. An geistreichen Einfällen ließ er es auch diesmal nicht fehlen. So
dachte er die Unterzeichnung aller politischen Artikel gesetzlich zu erzwingen;
man sah jedoch bald ein, daß dieser gute Gedanke um zwanzig Jahre zu spät
kam und die Anonymität sich in der Presse schon unausrottbar eingebürgert
hatte.*) Desgleichen wollte er irgendwie öffentlich aussprechen, daß ihm
begründete Mitteilungen der Presse über Beamtenwillkür immer willkommen
seien; da stellte ihm Thile vor: man dürfe das Publikum nicht gleichsam
zum Kampfe gegen das Beamtentum herausfordern.J)) Auch Metter-
nich, der schon lange die Bewegung in der preußischen Presse kummervoll
betrachtete, sendete seine Ratschläge durch die Gesandtschaft.##) Er blieb
bei seiner alten Meinung, daß die moralische Gewalt der Presse nur durch
vorbeugende Mittel zu regeln sei; denn — so schrieb er, den Wortschatz
seiner Angstsprache wieder um ein Metapher bereichernd — „ist eine
Brut giftiger Insekten einmal ausgeflogen, was nützt die Zerstörung des
Nestes? Optimisten hoffen auf die Schwalben und Sperlinge; ich nicht.“ —
Da sich ein Ende der Beratungen noch gar nicht absehen ließ, so
wurden zunächst einige vorläufige Anordnungen erlassen. Am 4. Febr. 1843
erhielten die Zensoren, weil sie die Befehle des Monarchen „gänzlich miß-
verstanden“ hätten, eine neue, sehr strenge Instruktion; „was ich nicht
*) Kabinettsordre an Deutsch, Jan. 1843.
**) Arnims Schreiben an Eichhorn, Thile, Bülow, 18. Sept. 1842.
**) Thile, Notiz für das Staatsministerium, Dez. 1842.
1) Thiles Bericht an den König, 27. Jan. 1843.
4) Canitzs Berichte, Wien, Febr. 1842 ff. Metternich an Trauttmansdorff,
14. Febr. 1843.