236 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
monologe auf den Universitäten allzu sehr überwogen und manche Pro—
fessoren die Erfindung der Buchdruckerkunst noch nicht zu kennen schienen,
so befahl er (1843) durch einen Erlaß, wobei Eilers mit seinen derben
Schulmeisterhänden offenbar mit geholfen hatte, daß die akademischen
Lehrer Repetitorien und wiederholte Prüfungen mit ihren Vorlesungen
verbinden sollten. Diese Häufung der Examina, deren Überzahl ja schon
längst eine preußische Staatskrankheit war, drohte die akademische Freiheit
zu vernichten; man glaubte überall, freilich mit Unrecht, Eichhorn wolle
die freie Lehre durch mechanische Abrichtung, die Wissenschaft durch Kennt-
nisse verdrängen. Der ruhige Dahlmann meinte entrüstet, so bis zu
der Erbärmlichkeit österreichischer Unterrichtsanstalten ließen sich die deut-
schen Universitäten nicht herabdrücken; Oberpräsident Bötticher sogar konnte
sich den Stimmungen der Königsberger Gelehrten nicht ganz entziehen und
klagte bitterlich über dies traurige „Vielregieren“.) An dem einmütigen
Widerstande der akademischen Welt scheiterten Eichhorns Befehle. Was
in ihnen berechtigt war, verwirklichte sich späterhin von innen heraus durch
die natürliche Entwicklung des wissenschaftlichen Lebens, das seine Ge-
brechen selbst am sichersten zu heilen vermag. Die Mediziner und Natur-
forscher hatten von altersher praktische Ubungen abgehalten; philologische
Seminare bestanden schon damals fast an allen preußischen Universitäten;
die Historiker folgten, nachdem Ranke den Weg gewiesen; in Greifswald
gründete G. Beseler eine juristische Gesellschaft, wie vorher schon Jacoby
in Königsberg eine mathematische, Trendelenburg in Berlin eine philo-
sophische. Aus diesen Keimen erwuchs allmählich in einem halben Jahr-
hundert eine Fülle von Seminaren aller Art;z ein reich, fast überreich aus-
gebildeter dialogischer Unterricht trat dem alten monologischen ergänzend
an die Seite. 1
Wie tief der Minister trotz seines edlen Willens sich die Gelehrten
entfremdet hatte, das sollte dem Könige selbst greifbar vor die Augen treten
bei der Jubelfeier der Albertina. Es war wieder ein Ehrentag und zugleich
ein Verbrüderungsfest für unsere Nordostmark. In Scharen waren sie
herbeigeströmt die alten Herren, die einst den Albertus auf der Mütze ge-
tragen, und auf aller Lippen schwebten die Namen der beiden Männer,
welche der Geschichte dieses Landes den Stempel ihres Wirkens am tiefsten
eingeprägt hatten, die Namen Herzog Albrechts und Kants. Am Vor-
abend dieses Festes, das unter Kants Gestirne stand, konnte Eichhorn
sich nicht enthalten, die Professoren in strafendem Tone vor den Ver-
irrungen des kritischen Geistes zu warnen. Der Rektor Burdach, ein be-
redter, geistreicher Mediziner noch aus der alten halb naturphilosophischen
Schule, antwortete sogleich unerschrocken, die Universität sei sich keiner
Schuld bewußt. Bei den Festlichkeiten der nächsten Tage feierte der
*) Bötticher an Thile, 2. Juni 1844.