Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

286 V. 4. Die Parteiung in der Kirche. 
des heiligen Vaters empfing.) Währenddem erschien in dem Heerlager 
der Ultramontanen zu Würzburg eine von Hermann Müller verfaßte ano- 
nyme Schrift: Die Kölnische Kirche im Mai 1841 — ein wütendes Libell, 
das in Preußen wegen seiner frechen Schmähungen sofort verboten und 
gleichwohl auf Schleichwegen dem Könige in die Hände gespielt wurde. 
Der päpstliche Machtbefehl war offenbar gesetzwidrig, da Gregor nicht 
einmal für nötig gehalten hatte, den so grenzenlos nachgiebigen Monarchen 
vorher zu benachrichtigen. Der König versagte also dem Domherrn Iven 
die Anerkennung; aber eingeschüchtert durch die Drohungen der Kleri- 
kalen ließ er zugleich durch Brühl in Rom vertraulich aussprechen: unter 
Vorbehalt seiner landesherrlichen Rechte wolle er Ivens Amtsführung 
stillschweigend dulden! So wankte er von einem schwächlichen Zugeständ- 
nis zum andern.) 
Inzwischen hatte schon ein neuer Vermittler in die Unterhandlungen 
eingegriffen: König Ludwig von Bayern. Der Wittelsbacher wünschte jetzt 
aufrichtig die Aussöhnung, weil er den Berliner Schwager auf seine 
Weise liebte und bei der noch immer drohenden Kriegsgefahr jede Schwä- 
chung Preußens für bedenklich hielt, vornehmlich aber, weil er durch seine 
eigene Politik die bayrischen Liberalen und Protestanten tief verstimmt hatte 
und durch das Friedenswerk ihren Groll zu beschwichtigen hoffte; nur 
sollten auch sein getreuer Minister Abel und die Ultramontanen an der 
Ausgleichung ihre Freude haben. Er empfahl seinem Schwager den Bischof 
Geissel von Speier, den er unter seinen Landesbischöfen besonders hoch 
schätzte, zum Koadjutor für das Erzbistum und sagte: einen stärkeren 
Beweis seiner Freundschaft könnte er ihm unmöglich geben, als indem 
er ihm einen solchen Mann abträte. Den nämlichen Vorschlag hatte er, 
allem Anschein nach, schon vorher in Rom vertraulich aussprechen lassen; 
denn Geissel war jener letzte Kandidat, den sich die Kurie im stillen vor- 
behielt, schon im März deutete Capaccini, in einem Gespräche mit Brühl, 
vorsichtig auf diesen Namen hin. König Friedrich Wilhelm ging auf den 
Rat ein?*), und als Graf Brühl im Juli zum dritten Male nach Rom 
reiste, nahm er den Weg über München, um dort das Nähere zu be- 
sprechen. Darauf forderte König Ludwig den Bischof Geissel in einem 
schmeichelhaften Briefe auf, sich zur Annahme der Koadjutor-Stelle bereit 
zu erklären. Abel unterstützte die Bitten des Monarchen und sagte mit 
seiner gewohnten fanatischen Plumpheit rund heraus, was die Jesuiten 
von dem künftigen Kölnischen Oberhirten erwarteten. „Sie sollen“, so 
schrieb er, „indem Sie die katholische Kirche Preußens wieder in ihr gutes 
Recht einsetzen, durch die von da ausgehende, unabwendbare Rückwirkung 
*) Lambruschini an Brühl, 21. Mai; Breve des Papstes an Iven, 21. Mai 1841. 
**) König Friedrich Wilhelm an Thile, 2. Juni; Kabinettsordre an Eichhorn, 7. Juli; 
Brühls Bericht, 21. Juli 1841. 
**“) König Friedrich Wilhelm an Thiele, 2. Juni 1841.
	        
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