Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Dritte Sendung Brühls. 287 
auf die übrigen protestantischen Staaten in Deutschland auch dort jenen 
revolutionären Grundsätzen ein Ende machen, die aus der hehren Himmels— 
tochter die dienstbare Magd des modernen Staatstums herausbilden, sie 
entweihen und entwürdigen möchten.“ Wahrlich, es geschahen Zeichen 
und Wunder, seit die neue ultramontane Partei sich fest zusammen- 
geschlossen hatte. Wer hätte vordem für denkbar gehalten, daß ein deutscher 
Minister einen Priester geradeswegs zum Kampfe wider die Kirchenpolitik 
deutscher Regierungen auffordern könnte? Geissel antwortete zunächst 
vorsichtig ablehnend; aus den wohlgewählten Worten ließen sich jedoch 
seine ehrgeizigen Wünsche leicht herauslesen. 
In Rom wurde Brühl diesmal, nach den neuen großen Gewährungen 
des Königs, mit offenen Armen aufgenommen; und als er Geissel nannte, 
fand weder Lambruschini noch der Papst selber gegen diesen guten Namen 
etwas einzuwenden. Da mit einem Male ward ein neuer Pfeil aus dem 
unerschöpflichen Köcher vatikanischer Verhandlungskünste herausgeholt, ein 
schweres, ganz unüberwindliches Bedenken. Geissel war ja schon Bischof, 
also konnte er auch nicht durch Droste nachträglich die Bischofsweihe 
empfangen, und folglich — so schlossen die Monsignoren, alle früheren 
Abreden vergessend, mit verblüffender Unbefangenheit — folglich mußte 
er nicht durch den Papst, sondern durch Droste selbst in das Koadjutor- 
Amt eingesetzt werden, damit der alte Erzbischof doch irgend eine Genug- 
tuung erhielte. In Berlin hatte man sich jedoch gegen solche Über- 
fälle gerüstet. Brühl lehnte die Zumutung unbedingt ab, und als die 
Kurie nicht nachgab, erklärte er plötzlich: nun wohl, dann lassen wir 
Geissel fallen und verlangen den Domherrn Arnoldi in Trier — denselben 
Arnoldi, den einst der alte König als persona minus grata von dem 
Trierschen Bischofsstuhle ausgeschlossen hatte! Nach kurzem Zögern nahm 
Gregor diesen neuen Vorschlag an; über alles einzelne ward man schnell 
einig, und wenige Tage später meldete Brühl zufrieden: „Das Beschlossene 
ist unwiderruflich“; der Papst ernennt Arnoldi zum Koadjutor und sendet 
nachher den alten Erzbischof für einen Tag nach Köln, wo die Bischofs- 
weihe im Auftrage des heiligen Vaters vollzogen wird. In welche 
Widersprüche war doch der König durch seine Herzensgüte hineingedrängt 
worden. Aus Pietät gegen seinen Vater hatte er Drostes Rückkehr unter- 
sagt und jetzt wollte er doch gestatten, daß dieser von dem alten Könige 
wegen Ungehorsams weggewiesene Prälat auf vierundzwanzig Stunden 
zurückkam, um die Bischofsweihe dem neuen Kölnischen Koadjutor zu er- 
teilen, dem der alte Herr nicht einmal das bescheidene Bistum Trier 
hatte anvertrauen wollen! Hieß das nicht, das Andenken des Vaters 
zweimal beschimpfen? Eine schmachvolle Niederlage stand der Krone 
Preußen und der Person ihres Trägers bevor; denn so gewiß der Staat 
Macht ist, ebenso gewiß bleibt die Schwäche, auch die wohlmeinende 
Schwäche unter allen politischen Sünden die schwerste.
	        
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