346 V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
schaft Jesu eine hohe Stellung einnahm: diese durch die Schwäche der Be-
hörden verwöhnte „sogenannte Hauptstadt der Intelligenz“ sei neben
Königsberg der Hauptsitz des deutschen Demagogentums; den Tumult
hätten die Literaten veranlaßt und die Studenten als Werkzeuge ge-
braucht; „hier ist alles zur Revolution reif, versöhnt wird hier niemand.“
Seine Schilderung war so grell, daß selbst das preußische Ministerium
meinte, der Österreicher scheine doch nicht unbefangen.“)
Am Morgen nach dem Blutvergießen zeigten sich die königlichen Be-
hörden ganz gelähmt vom Schrecken, kein Soldat erschien in den Straßen.
Die Studenten, die noch in der Nacht den Fechtboden erbrochen hatten,
versahen im Verein mit der Kommunalgarde allein den Sicherheitsdienst.
Nachmittags drängten sich Scharen von Bürgern und Studenten in das
Schützenhaus, alles verwünschte den Prinzen, dem man eine berechnete
Untat andichtete, und forderte Rache für das vergossene Blut. Da trat
plötzlich Robert Blum in die furchtbar aufgeregte Versammlung. Er war
am Tage zuvor verreist gewesen — was ihm jetzt sehr zum Vorteil
gereichte — und geradeswegs vom Bahnhofe herbeigeeilt. Augenblicklich
übersah er die Lage und begriff, daß die Zeit für neue Gewalttätigkeiten
noch nicht gekommen war; in mächtiger, tief ergreifender Rede sprach
er den Versammelten aus, eine Sühne müsse der Stadt werden, aber
nur auf gesetzlichem Wege. Dann führte er diese erbitterten Tausende
in ruhiger Ordnung nach dem Markte; kein Unfug befleckte, so rühmte
Blum, „die wahrhafte Majestät dieser Volksversammlung“. Nach kurzer
Frist verkündete er vom Altane des Rathauses herab, daß der Stadt-
rat sich den Beschlüssen des Volks unterworfen habe, Abzug der Garnison
und strenge Untersuchung vom Könige verlangen wolle. Vier Tage hin-
durch beherrschte er die Stadt wie ein Diktator, die Behörden schienen
verschwunden. Beim Begräbnis der Erschossenen erklangen wieder stür-
mische Reden, doch die Ordnung blieb völlig ungestört; die Kommunal-
garde hielt strenge Wacht, nach den Weisungen des Demagogen.
Am Dresdener Hofe wußte man sich anfangs nicht zu helfen. Die
Minister schöpften erst wieder Mut, als durch Blums Entschlossenheit die
nächste Gefahr beseitigt war, und nun endlich griffen sie sehr scharf ein.
In stiller Nacht wurden Truppen mit Geschützen nach Leipzig gesendet, und
gedeckt durch diese bewaffnete Macht erschien am 17. als königlicher Kommis-
sär der Geh. Rat v. Langenn, ein gelehrter Jurist, der sich in allen politi-
schen Kämpfen als hochreaktionärer Parteimann benahm. Parteiisch verfuhr
er auch hier. Er kündigte, wie billig, eine strenge Untersuchung gegen die
Aufrührer an, erklärte aber zugleich, daß die Regierung die doch keines-
wegs tadelfreien Maßregeln ihrer Organe vertreten würde. Die Stadt,
*) Hübners Bericht an Metternich 27. Aug. Schreiben des preuß. Minist. des
Innern an Canitz, 11. Okt. 1845.