46 V. 1. Die frohen Tage der Erwartung.
Herrscher „eine der wichtigsten und teuersten Pflichten des königlichen
Berufes“.
Bitte des Landtags war also abgeschlagen, der König stellte
nicht einmal für die Zukunft irgend etwas Bestimmtes in Aussicht, da.
es ihm gegen die Ehre ging, sich von vorwitzigen Untertanen treiben
zu lassen. Darum fühlte sich auch Zar Nikolaus sichtlich erleichtert;
er dankte seinem Schwager, weil die dornige Verfassungsfrage „ein= für
allemal“ abgetan sei.) Die Abweisung erfolgte jedoch in so gnädigem
Tone, und Schön wußte seinen Landsleuten von den freisinnigen Ab-
sichten des Monarchen so viel Herrliches zu erzählen, daß die Stände
# in der Tat glaubten, der Landtagsabschied enthalte, weil er doch von der
Entwicklung des Bestehenden spreche, mindestens eine halbe Gewährung.
Sie begrüßten die Verlesung des Aktenstückes mit freudigen Hochrufen.
So ward der Grund gelegt für ein verhängnisvolles wechselseitiges Miß-
verständnis. Wer hätte auch jetzt, da der Jubel des beginnenden Hul-
digungsfestes alles übertäubte, noch die Stimmung gewonnen zu ruhigem
Nachdenken? Ohnehin konnte sich der Landtag keineswegs auf eine feste
durchgebildete Volksüberzeugung stützen. Da Parteien noch nicht bestanden,
so mochten sich manche der Landstände bei dem Beschlusse wenig gedacht
haben, nur die Führer der Mehrheit waren sich ihres Zweckes bewußt.
Aber auch die fünf Stimmen der Minderheit des Landtags besaßen in
der Provinz einen starken Anhang. Siebenundzwanzig der zur Huldi-
gung einberufenen adligen Grundbesitzer traten noch am 8. Sept., ge-
führt von dem Grafen Dohna-Schlobitten zusammen, um gegen die Denk-
schrift des Landtags Verwahrung einzulegen: sie seien, so versicherten sie
dem Könige, mit den bestehenden Provinzialständen vollauf zufrieden und
wünschten keine Neuerung.
Im Volke fragte noch niemand nach diesen politischen Gegensätzen,
alles dachte nur an den königlichen Gast und wie man ihn verherrlichen
sollte. Am Abend des 9. Sept. gab die Provinz dem Monarchen ein
prachtvolles Fest; in lebenden Bildern traten die großen Gestalten der
reichen Landesgeschichte auf; Männer aller Stände und aller Richtungen
wirkten einträchtig zusammen; der liberale Theolog Cäsar v. Lengerke
hatte die begleitenden Verse gedichtet, die der junge Jurist Eduard Simson
mit klangvoller Stimme vortrug. Am folgenden Tage versammelten sich
die Deputierten der Provinzen Preußen und Posen zur Huldigung; mehr
denn zwanzigtausend Menschen standen in dem weiten Hofe und an den
Fenstern des Schlosses zusammengedrängt; der königliche Thron prangte
auf einem Altane, von dem eine mächtige Freitreppe in den Hof hinab-
führte. Der Kanzler und der Landtagsmarschall des Königreichs Preu-
ßen hielten ihre Ansprachen in der herkömmlichen Weise; nur der
*) Liebermanns Bericht, 29. Sept. 1840.