Hessische Staatsstreichspläne. Hannover. 669
gang der österreichischen Antwort die Vertreter des Landtags zu sich, um
ihre Beileidsadresse endlich entgegenzunehmen. Er empfing sie freundlich,
und die Stände nahmen stillschweigend an, daß er den beim Antritt der
Regentschaft geschworenen Eid auch jetzt noch als bindend ansähe. Dar-
über sprach sich der neue Herr nicht offen aus, doch gab er zu verstehen,
die Verfassung bedürfe einerseits der Sicherung, andererseits mehrerer
Verbesserungen.') Seine Absicht war also, den Rat der Großmächte
zu befolgen und die Bürgschaft des Bundestags nachzusuchen; er berief
auch alsbald eine Kommission von drei Beamten, welche die notwendigen
Abänderungen der Verfassung vorschlagen sollte. Aber die Arbeit stockte
bald, es fehlten Einsicht und Ehrlichkeit. In diesem sonderbaren Zu-
stande, unter einem verabscheuten Fürsten, den allein die Warnungen der
Großmächte vom Eidbruche zurückgehalten hatten, wurde das unglückliche
Land von den Stürmen der Revolution getroffen. —
Der alte Welfe konnte unterdessen seines gelungenen Staatsstreichs
nicht recht froh werden. Das neue Landesverfassungsgesetz war durch Lug
und Trug endlich zu stande gekommen, und der gefährlichste Mann der Op-
position, Stüve mußte dem Landtage fern bleiben, da er in einem gehäs-
sigen politischen Prozesse wegen Verjährung des Vergehens zwar nicht ver-
urteilt, aber auch nicht förmlich freigesprochen worden war. Folglich, so
entschied die Regierung, war Stüve nicht mehr unbescholten. Dantons
Grundsatz, daß jeder Verdächtige als schuldig zu behandeln sei, fand nir-
gends treuere Schüler als an diesem reaktionären Hofe; auch nach seinem
Siege verschmähte Ernst August die Geschlagenen durch eine Amnestie zu
versöhnen. Sein Verhältnis zu dem neuen Landtage blieb immer unfreund-
lich, schon weil der Staatsstreich sich sehr bald auch als eine staats-
wirtschaftliche Torheit erwies. Die gewaltsam wiederhergestellte Kronkasse
kam mit ihren Einkünften nicht aus und mußte immer wieder ständische
Beihilfe erbitten, die nur unter heftigen Klagen gewährt wurde. Die
liberalen Ideen der Zeit drangen unaufhaltsam selbst in diesen verstüm-
melten Landtag ein; sogar einige Mitglieder der Lüneburgischen Ritterschaft
verlangten jetzt — wer hätte das früher gedacht? — eine Vertretung des
Bauernstandes. Das Volk schwieg mürrisch und war im Grunde nur
mit einer Tat des Königs ganz zufrieden: mit seinem Kampfe wider den
Zollverein. Im Partikularismus fanden sich der welfische und der han-
noversche Eigensinn zusammen. „Man will eben nicht“ — so erklärte
Stüve einfach die Stimmung des Landes — Hannover, Hildesheim, Celle
fürchten sich vor Braunschweig, die Osteroder Tuchmacher vor Quedlin-
burg, die Bremer und Lüneburger Bauern vor der Trennung von Ham-
burg und Bremen.) Auch in anderen Fällen zeigte sich der Welfe höchst
*) Galens Bericht, 16. Dez. 1847.
**) Nach Stüves Biographie.