Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Hessische Staatsstreichspläne. Hannover. 669 
gang der österreichischen Antwort die Vertreter des Landtags zu sich, um 
ihre Beileidsadresse endlich entgegenzunehmen. Er empfing sie freundlich, 
und die Stände nahmen stillschweigend an, daß er den beim Antritt der 
Regentschaft geschworenen Eid auch jetzt noch als bindend ansähe. Dar- 
über sprach sich der neue Herr nicht offen aus, doch gab er zu verstehen, 
die Verfassung bedürfe einerseits der Sicherung, andererseits mehrerer 
Verbesserungen.') Seine Absicht war also, den Rat der Großmächte 
zu befolgen und die Bürgschaft des Bundestags nachzusuchen; er berief 
auch alsbald eine Kommission von drei Beamten, welche die notwendigen 
Abänderungen der Verfassung vorschlagen sollte. Aber die Arbeit stockte 
bald, es fehlten Einsicht und Ehrlichkeit. In diesem sonderbaren Zu- 
stande, unter einem verabscheuten Fürsten, den allein die Warnungen der 
Großmächte vom Eidbruche zurückgehalten hatten, wurde das unglückliche 
Land von den Stürmen der Revolution getroffen. — 
Der alte Welfe konnte unterdessen seines gelungenen Staatsstreichs 
nicht recht froh werden. Das neue Landesverfassungsgesetz war durch Lug 
und Trug endlich zu stande gekommen, und der gefährlichste Mann der Op- 
position, Stüve mußte dem Landtage fern bleiben, da er in einem gehäs- 
sigen politischen Prozesse wegen Verjährung des Vergehens zwar nicht ver- 
urteilt, aber auch nicht förmlich freigesprochen worden war. Folglich, so 
entschied die Regierung, war Stüve nicht mehr unbescholten. Dantons 
Grundsatz, daß jeder Verdächtige als schuldig zu behandeln sei, fand nir- 
gends treuere Schüler als an diesem reaktionären Hofe; auch nach seinem 
Siege verschmähte Ernst August die Geschlagenen durch eine Amnestie zu 
versöhnen. Sein Verhältnis zu dem neuen Landtage blieb immer unfreund- 
lich, schon weil der Staatsstreich sich sehr bald auch als eine staats- 
wirtschaftliche Torheit erwies. Die gewaltsam wiederhergestellte Kronkasse 
kam mit ihren Einkünften nicht aus und mußte immer wieder ständische 
Beihilfe erbitten, die nur unter heftigen Klagen gewährt wurde. Die 
liberalen Ideen der Zeit drangen unaufhaltsam selbst in diesen verstüm- 
melten Landtag ein; sogar einige Mitglieder der Lüneburgischen Ritterschaft 
verlangten jetzt — wer hätte das früher gedacht? — eine Vertretung des 
Bauernstandes. Das Volk schwieg mürrisch und war im Grunde nur 
mit einer Tat des Königs ganz zufrieden: mit seinem Kampfe wider den 
Zollverein. Im Partikularismus fanden sich der welfische und der han- 
noversche Eigensinn zusammen. „Man will eben nicht“ — so erklärte 
Stüve einfach die Stimmung des Landes — Hannover, Hildesheim, Celle 
fürchten sich vor Braunschweig, die Osteroder Tuchmacher vor Quedlin- 
burg, die Bremer und Lüneburger Bauern vor der Trennung von Ham- 
burg und Bremen.) Auch in anderen Fällen zeigte sich der Welfe höchst 
  
*) Galens Bericht, 16. Dez. 1847. 
**) Nach Stüves Biographie.
	        
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