Die Frage der spanischen Heiraten. 703
erlangen sollte, beschäftigte alle Höfe. Metternich ergriff nun den nahe
liegenden Gedanken, durch die Verheiratung der jugendlichen Königin
Isabella mit Don Carlos' Sohne, dem Grafen Montemolin die beiden
feindlichen bourbonischen Linien zu versöhnen und also die gestörte Legi—
timität auf einem Umwege wiederherzustellen. Der greise Staatskanzler
hegte und pflegte diesen Einfall mit Zärtlichkeit, er nannte ihn mon
idée*) und König Friedrich Wilhelm erklärte als begeisterter Legitimist
seine freudige Zustimmung. Der Plan war theoretisch ebenso vortreff—
lich, wie der Vorschlag, den deutsch-dänischen Streit durch ein augusten—
burgisches Königtum abzuschneiden, doch leider auch ebenso unausführ—
bar; die beiden Parteien haßten einander zu ingrimmig, unmöglich
konnte Don Carlos, obgleich er zu Gunsten seines Sohnes soeben ab—
gedankt hatte, das Thronfolgerecht seiner Nichte förmlich anerkennen.
Also mußte man nach einem anderen Stammhalter für Spanien
suchen. Nach koburgischer Weltanschauung gebührte aber jede auf dem
Erdkreise erledigte Krone von Rechts wegen den Genossen des großen
Brüsseler Heiratsgeschäfts, und längst schon hielt König Leopold seinen
Neffen, den Prinzen Leopold von Koburg-Kohary für den spanischen Thron
bereit. Der wurde schon 1841, als Königin Isabella kaum elf Jahre alt
war, den preußischen Gästen am Londoner Hofe allgemein als künftiger
König von Spanien bezeichnet.“*) Ganz aussichtslos schienen diese An—
schläge nicht; denn da das Haus Koburg nach so vielen glückhaften Hei—
raten dem französischen Hofe ebenso nahe stand wie dem englischen, so
konnte man wohl auf die Zustimmung Ludwig Philipps hoffen. Nur
unter dieser Voraussetzung wollte der belgische König, der mit beiden West—
mächten in Freundschaft leben mußte, diesen Heiratsentwürfen beipflichten.
Am Tuilerienhofe erwachten dennoch bald Bedenken. Portugal wurde
bereits von einem Koburger regiert und von der englischen Handelspolitik
mit der äußersten Roheit mißhandelt; unwillkürlich regte sich die Be-
fürchtung, daß ein koburgisches Königtum in Madrid die gesamte pyre-
ndische Halbinsel der englischen Herrschaft überantworten müßte.
Trotz ihrer liberalen Redensarten blieben die Höfe der Westmächte
ganz befangen in den Gedanken der alten Kabinettspolitik. Im spanischen
Erbfolgekriege hatte Europa einst Ströme von Blut nutzlos vergeudet,
weil die Höfe glaubten, daß Spanien unter bourbonischen Königen zu
einer französischen Provinz werden müsse — eine Annahme, die doch
nachher keineswegs zutraf. So rechnete auch Ludwig Philipp, obgleich
er Spanien kannte, durchaus nicht mit dem furchtbaren Fremdenhasse dieser
Nation, der eine ausländische Herrschaft auf die Dauer rein unmöglich
machte. Nach den Gefühlen des Volkes, dessen Schicksal entschieden werden
*) Canitzs Bericht, 12. April 1845.
*“) S. o. V. 132.