Familien, die in der Nähe des Nationaltheaters wohnen,
möchten für die nächsten Wochen am liebsten verreisen, weil
allerlei wilde Gerüchte erzählen, die Nationalversammlung
werde „gesprengt“ werden und dabei könnten auch die um-
liegenden Häuser in die Luft fliegen. Man sieht die Ein-
quartierung, soweit man selber an ihr beteiligt ist, gern.
Auch wenn „nur“ die Höchstpreise bezahlt werden, stehen sich
die Vermieter nicht schlecht. Außerdem soll jeder, der einen
Regierungsbeamten, einen Abgeordneten, einen Dresse-
vertreter beherbergt, reichlich Kohlen erhalten, und das ist
augenblicklich eine sehr ersehnte Sache. Nur sind noch nicht
genug Kohlen da. Ein Kohlenzug ist vom Arbeiter-
und Soldatenrat Eisen ach abgefangen worden, ein
anderer anderswo. Je näher man Weimar kommt, desto
enger wird das Netz dieser Raubritter und Zollerheber. Die
Hohenzollern sind bei uns abgeschafft; und die Zustände bei
une ähneln nachgerade auch ganz denen, die wir vor den
Zeiten der „Faulen Grete"“, die den damaligen Schnapp-
hähnen das Handwerk legte, gehabt baben.
Zn Weimar selbst jedoch braucht man keine Angst zu haben,
denn da ist — Berliner Schutzmannschaft eingezogen. Wir
haben so viel über den Polizeistaat geschimpft. Zetzt bält er
aber den Revolutionesstaat über Wasser. Ohne die Kräfte
des „alten Soystems“ wäre das „neue Soystem“ schon zu-
sammengebrochen. Auch Soldaten — vom Landesjägerkorpe,
mit schwarzweißroten Kokarden und sonstigen Abzeichen —
sieht man in beruhigender Menge. Ich glaube an keinerlei
Gefahr in Weimar, dem stillen Residenzstädtchen und
Pensionopel, das kaum Fabrikvolk hat. Es wird ganz fried-
lich sein.
Nur sehr unbequem. Es fehlen nicht nur die Berliner
Räume für Beratung und Arbeit, für Parteien und Presse.
Es erweist sich nicht nur das Post- und Fernsprechwesen als
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