Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

Ehre gäben wir niemals preis. Wir würden nur mit dem 
ausdrücklichen Vorbehalt unterschreiben, daß wir nicht die 
allein Schuldigen am Kriege seien und auch nicht das Ver- 
langen nach Auslieferung Deutscher an ein Ententegericht 
erfüllen würden. · 
Die Volksvertreter sollen dementsprechend einen Beschluß 
folgenden Wortlauts fassen: „Die Nationalversammlung bil- 
ligt die Haltung der Regierung in der Frage der Unterzeich- 
nung des Friedensvertrages.“ 
Das ist die theatralische Geste. Aber kaum ist sie sichtbar 
geworden, so erschrecken die Akteure selber davor. Der Be- 
schlußantrag der Regierung wird ohne Angabe eines Grundes 
zurückgenommen. In Bersailles wird der Vorbehalt vor- 
gebracht werden, um das Gesicht zu wahren, aber nicht ale 
Beschluß der deutschen Bolksvertretung. 
ODie neue Fassung, die das Haus vielmehr annehmen soll 
und mit den Stimmen der Unabhängigen, der Sozialdemo- 
kraten, des Zentrums und eines Teils der Demokraten an- 
nimmt, lautet: „Die Nationalversammlung ist mit der Unter- 
zeichnung des Friedensvertrages einverstanden.“ 
Also bedingungelose Unterwerfung ohne Billigung der 
Regierungsvorbehalte. Richts mehr von nationaler Ehre! 
Oer Präsident Fehrenbach und die Regierung werden wegen 
der Änderung gestellt, dringend um Auskunft ersucht. Fehren- 
bach hat die Stirn, zu erklären, er finde keinen Unterschied 
zwischen den beiden Anträgen; auf der Regierungsbank aber 
erhebt sich niemand, wagt niemand zu leugnen. Oie Schande, 
die Schande! Sie kommt nicht allen zu Bewußtsein. Ee ist 
eine Art Apathie über das Haus gekommen, die eiligen Reden 
klingen wie das gedankenlose Nachstammeln Übermüdeter. 
Graf Posadowsky bleibt wirkungslos. Was er über den 
Friedensvertrag im einzelnen sagt, das ist richtig, aber es hat 
schon vor anderthalb Monaten in jeder deutschen Zeitung 
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