Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

jede Sitzung wirft die Oisposition der vorherigen um. Auch 
das grobe mechanische Mittel, jedem Redner nur eine bestimmte 
Minutenzahl anzuweisen, diesmal bei der Verfassungsberatung 
fünfzehn, nützt da gar nichts. Es ist schon heute klar, daß die 
Verfassung nicht in drei Tagen erledigt werden wird. Das 
Kapitel über den Reichstag wird durchberaten, das über den 
Reichspräsidenten angeschnitten, aber man hat insgesamt noch 
nicht ein Viertel der 173 Paragraphen geschafft. Das mag 
ja gleichgültig sein, denn der Sommer ist noch lang und Weimar 
ist die Stadt der angenehm kühlen Winde. Aber dieser Mangel 
an Ubersichtsvermögen, diese Regellosigkeit im der Anwendung 
der Zeit führt so häufig zur Verschleppung eiliger Dinge oder 
zur Durchpeitschung schwierigster Entscheidungen. Die Natio- 
nalversammlung soll unser einziger Souverän sein. Sie ist 
und bleibt aber bloße Redehalle, ganz unköniglich in ihrer 
Zerfahrenheit. 
Oas Kapitel vom Reichstag erfährt gegen früher nur wenige 
Veränderungen, auch die fünfjährige Legislaturperiode, die 
gestern von den Rednern der Rechten besonders eindringlich 
statt der vom Ausschuß beliebten dreijährigen empfohlen wurde, 
wird wieder Gesetz. ODas ist für die Stetigkeit der Politik 
notwendig. Im ersten und im letzten Zahr einer Reichstags- 
zeit werden doch nur Wahlreden „zum Fenster hinaus"“ ge- 
halten, und da ist es gut, daß wenigstens drei Arbeitsjahre 
dazwischen liegen. Einzelne Rechte des früheren Parlamentes 
werden für das neue der Republik erweitert. Bei dem merk- 
würdigen Paragraphen, der dieser Versammlung auegespro- 
chener #ichtfachleute es zubilligt, daß sie einen Uberwachungs- 
ausschuß für auswärtige Politik aus ihrer Mitte bestellt, also 
Blinde zu Führern von Lahmen erklärt, kommt Haase auf 
unsere Ostpolitik und das Baltengebiet zu sprechen. Der 
Mehrheitssozialist Winnig fertigt ihn in einer Rede ab, die 
wie eine Sensation wirkt. Dieser Winnig, dem als Partei- 
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