schneller die einmütige Kundgebung erhalten. Aber da wären
die nationalen Kruzitürken dabei, und die dürfen beileibe
nicht über Erzberger triumphieren.
Frau Zietz, die Unabhängige, spricht, eine Frau, deren
Weiblichkeit ein starkes Plus männlicher Moleküle enthält.
Bock und Haase und Cohn „können doll“, — sie kann noch
doller. Eine Fanatikerin der alten sozialistischen Schule, un-
angekränkelt von der Sehnsucht nach den Amtssesseln der
Regierung. Der Frau JZuchacz hat gestern nach ihrer Rede
der Genosse Löbe-Breslau Bonbons gestiftet; bei Frau Zietz
würde das wohl kaum ein Fraktionsgenosse wagen. Bei der
Zuchacz bricht das Gefühl sich Bahn; die Zietz ist Fanatikerin
von Reflexion. Nach fünf Minuten ist das ganze Haus bhelle
Empörung. Sie beschimpft das Eiserne Kreuz als „Blut-
zeichen“, und nahezu sämtliche bürgerlichen Abgeordneten
verlassen ostentativ den Saal. Sie beschimpft Noske, und
ihre nächsten Sätze gehen im Toben der Sozialdemokraten
unter. Luise Zietz ist die Sturmglocke für Spartakus, wie
Elockenklöppel schleudert sie ihre Arme. Bock und Haase
und Cohn entrüsten sich mit ihr über den Einmarsch der
Noske-Garde in Gotha.
Während das ermüdete Haus — die Sitzung ist erst gegen
10 Uhr zu Ende — so immer wieder aufgepeitscht wird, steht
plötzlich ein blasser Warenhausjüngling auf der Regierunge-
estrade, erhält das Wort und findet noch stärkere Töne wider
Noske. Keiner kennt ihn. Nachdem er ausgeredet, werden
seine Personalien erst festgestellt: Dr. Josef Löwengard,
Vertreter der Republik Gotha im Bundeerat! DOer nicht
anerkannte Vertreter einer nicht anerkannten Republik.
Und was sonst wohl noch nie einem Bundesratemitglied
passiert ist, das geschieht jetzt: man bedeutet ihm, wo der
Zimmermann das Loch gelassen hat, und mit fliegenden
Rockschößen verschwindet der Züngling durch die Mitte.
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