Full text: Das Interregnum.

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nun der Eintritt eines preussischen Interregnums, der Wegfall des 
Subjekts der kaiserlichen Würde nur dann klar erkennen, wenn man 
die Stellung des Kaisers im Reichsorganismus ins Auge fasst, die 
sich ebensowenig wie das ganze komplizirte Reichsgebäude unter 
eine einheitliche Formel bringen lässt. 
Der Kaiser ist zunächst als König von Preussen Mitträger 
der Gewalt am Reiche, wie die anderen vierundzwanzig Träger der 
Gliedstaatsgewalten; er ist als soleher in wesentlichen Punkten be- 
vorrechtet, aber den anderen Mitsouveränen nicht übergeordnet, ‘pri- 
mus inter pares. Der Wegfall des Kaisers bedeutet also insoweit 
für das Reich und für Preussen als Reichsglied nichts anderes wie 
ein Interregnum in einem der anderen zum Reiche gehörigen Bundes- 
staaten. 
Der Kaiser ist aber ferner zu einem Theile alleiniger Träger 
der Reichsgewalt mit Ausschluss der anderen Bundesglieder. Er ist 
alleiniges Subjekt der Reichsmilitär- und Marinegewalt und alleiniger 
Inhaber der Gewalt des Reiches als völkerrechtlichen Subjekts.') In- 
soweit kennzeichnet sich sein Wegfall als ein Verschwinden des 
alleinigen Trägers der Reichsgewalt, als ein partielles Inter- 
regnum; ein partielles, denn in toto ruht ja die Gewalt des Reiches 
nicht beim Kaiser, sondern bei der Gesamtheit der verbündeten 
Regierungen. 
Der Kaiser ist weiter Organ der Reichsgewalt als einer ihm, 
soweit er Kaiser, fremden Gewalt, berufen zwar zur Bildung des 
Reichswillens in eonereto, aber bierin nicht Träger des Willens zu 
eigenem Rechte. Entweder ist er dabei Subjekt der Reichswillens- 
bildung ohne jede Theilnahme. des Reichssouveräns selbst, insbe- 
sondere ohne Mitwirkung des Vertreters des Reichsgewaltsubjekts, 
des Bundesraths. Er handelt insofern für einen handlungsunfähigen 
Souverän, in dessen Namen, übt dessen Gewalt aus; auf diese Aus- 
übung hat er eigenes Recht, aber nicht auf die Gewalt selbst. Er 
ist insoweit das Analogon eines Regenten im monarehischen Einbeits- 
staate, welcher die Gewalt des regierungsunfähigen Monarchen in 
dessen Namen übt. So ernennt er den Reichskanzler und in der 
Hauptsache die übrigen Reichsbeamten, erlässt Rechtsverordnungen, 
übt die Reichsgewalt gegenüber dem Reichsland Elsass - Lothringen 
aus, beruft und schliesst Bundesrath und Reichstag?) u. s. f. Oder 
  
1) RV. a. 11. 53. 63. 
2) S. z. B. RV. a. 12. 18. 50; Ges. v. 9. Juni 1871: $ 3. u.s. w.
	        
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