Full text: Das Interregnum.

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genannt hat!); denn kein Staat ohne Verfassung. So begann z. B. 
der neugegründete bulgarische Staat sein Leben nicht mit einem 
Interregnum; denn die für ihn auf Grund des Berliner Vertrags von 
russischer Seite ausgearbeitete und durch die Notabelnversammlung 
von T’rnovo angenommene Verfassung trat zufolge der Bestimmung 
in Art. 7 der Congressakte vom 13. Juli 18782) erst mit der Thron- 
besteigung des Fürsten Alexander in Kraft. Die provisorische Ver- 
waltung Bulgariens bis zu diesem Zeitpunkte®) ist darum mit der 
nachher ausführlicher zu behandelnden provisorischen Regierung 
während eines Interregnums in einem Staate nicht auf eine Stufe 
zu stellen. Es ist ferner auch nicht angängig, die Regentschaft des 
Surlet de Chokier in Belgien seit dem 23. Februar 1831 mit der Reichs- 
verwesung des Erzherzogs Johann gleichzusetzen.*) Belgien kann 
während jener Zeit keineswegs ein Staat, sondern nur ein seit dem 
21. November 1830 in Empörung gegen die legitime Herrschergewalt 
begriffener Theil des niederländischen Staates genannt werden. 
Als Belgien zum selbständigen Staatswesen erwachsen war, mag 
man nun den Zeitpunkt des Eintrittes dieses Ereignisses setzen, wie 
man will, — jedenfalls fiel er später, als der Regierungsantritt König 
Leopolds5) —, kann von einem Interregnum nicht mehr die Rede sein. 
Im Uebrigen mag bei der folgenden Darstellung der interessante Fall 
eines Interregnums in einem neugegründeten Staate als ein eigen- 
artiger und seltener bei Seite bleiben. 
IV. Damit sind die Möglichkeiten erschöpft. Es dürfte aber nicht 
überflüssig sein, für mehrere Thatbestände die Anwendung des Be- 
griffes des Interregnums ausdrücklich auszuschliessen, vor Allem 
deshalb, weil die gebräuchliche Terminologie gerade hier vielfach 
irreführend wirken kann, was schon oben angedeutet werden musste. 
Für alle die im Folgenden aufzuführenden Erscheinungen des staat- 
lichen Lebens gilt der gemeinsame Satz, dass bei ihnen ein vorhan- 
dener Monarch lediglich in der Ausübung der ihm rechtlich zu- 
stehenden Staatsgewalt, sei es rechtlich, sei es thatsächlich oder wider- 
rechtlich behindert ist. 
  
1) JELLINEK, Lehre von den Staatenverbindungen. 8. 271; vgl. HErFTER, 
Europäisches, Völkerrecht (8. Ausg.) S. 44. 
2) „Aussitöt que le Prince aura et& institu6, la nouvelle organisation sera 
mise en vigeur et la Principaute entrera en pleine jouissance de son autonomie.“ 
3) Art. 6 u. 7 der Congressakte. 
4) v. KırcuenHeim, Regentschaft S. 1f. 
5) Anderer Meinung, wie es scheint, JELLINEK, 8. 8. 0. S. 267.
	        
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