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dern die Wahl schafft den König, wenn auch bei der Wahl dem
Erbprinzip bedeutende Zugeständnisse gemacht werden — das Letztere
zeigt ein Blick auf die Reihen der Kaiser aus demselben: sächsischen,
fränkischen, staufischen Hause!) Hochbedeutsam ist nach dieser
Richtung der Beschluss der sächsischen Partei auf der Tagung zu
Forehheim im Jahre 1077: ut regia potestas nulli per hereditatem,
sicut ante fuit consuetudo, cederet, sed filius regis, etiam si valde
dignus esset, potius per eleetionem spontaneam, quam per successionis
lineam, rex proveniret; si vero non esset dignus regis filius, vel si
nollet eum populus, quem regem facere vellet, haberet in potestate
populus.?)
Mit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts und mit seinem grossen
sogenannten Interregnum — rechtlich war diese Zeit zum geringsten
Theile Interregnum, sondern wesentlich Revolution gegen eine Mon-
archie, oder völlige Anarchie — hat das Wahlprinzip den Sieg tiber
das Erbprinzip davongetragen: die bisher als Ausnahme geltende
freie Wahl wird zur Regel, wohl nicht zum Mindesten, weil die auf-
blühenden Territorialgewalten zu stark waren, um ein einziges Königs-
geschlecht zu dulden, die einzelne Landeshoheit zu schwach, um auf
die Dauer des Reiches Krone bei sich zu halten. Erst später bei
der langsamen Auflösung der Reichsgewalt tritt die Neigung wieder
hervor, bei der Wahl ein bestimmtes Haus zu bevorzugen, falls nicht
dieses selbst schon durch die im Interesse der Hausmacht betriebene
Wahl eines römischen Königs bei Lebzeiten des Kaisers sich gesichert
hatte.3) An erfolglosen Versuchen, die Krone erblich zu machen, hat
es freilich auch späterhin nicht gefehlt.*®)
I. Wird diese Entwicklung der Wahlmonarchie, auf die etwas
1) MAURENBRECHER (2.8. O.) unterschätzt die materielle Bedeutung der Königs-
wahl in dieser Zeit; er geht so weit, Deutschland während der „Kaiserzeit“ ein
wirkliches Erbreich zu nennen, und sucht dies durch eine eingehende Betrachtung
der Wahlen bis zum dreizehnten Jahrhundert zu erweisen. Es ist nun allerdings
unbestreitbar, dass der wechselvolle Kampf zwischen Reichs- und Territorialgewalt
häufig zu einer Niederlage der letzteren geführt hat, was bei der Königswahl
darin seinen Ausdruck fand, dass die Wähler zur Wahl eines Gliedes der Familie
des bisherigen Königs gedrängt wurden. Das bedeutet aber nur einen politischen
Druck gegenüber der Ausübung des Wahlrechts, nicht dessen Verdrängung
durch das Erbrecht.
2) Bruno, de bello Saxon. 91 (MG. SS. V. p. 365). Eine eingehende Würdigung
dieses Ereignisses bei MAURENBRECHER 8.8.0. S. 115 ff.
3) S. darüber unten S. 21.
4) Busson, Die Idee des deutschen Erbreichs und die ersten Habsburger.
in den Sitzungsberichten der Wiener Akad. Phil.-Hist. Cl. LXXXVIII, S. 635 ft.