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die Sätze derjenigen Juristen, welche das Interregnum als solches
berücksichtigen — diese findet man vorwiegend in älterer Zeit — an-
geführt und hieran die Meinungen Anderer tiber einzelne Anwen-
dungsgebiete des Interregnumsbegriffs angeschlossen werden, die
konsequenter Weise auch für die anderen Fälle des Zwischenreichs
um deswillen von Werth sein müssen, weil diesen dieselben wesent-
lichen Merkmale wie allen übrigen eigen sind. Eine Kritik der
jetzt vorzutragenden Ansichten wird einstweilen in der Hauptsache
unterbleiben.
II. Die mittelalterliche Litteratur berücksichtigt das Interregnum
ausserordentlich wenig und zwar sehr erklärlicher Weise, da sich das
objektive Recht über Zwischenreich und Reichsvikariat im deutschen
Reiche — und dies konnte allein in Frage kommen — vor der gol-
denen Bulle, wie oben ausgeführt wurde, noch in der Entwicklung
befand. Zwar hätte die lange litterarische Fehde zwischen der kai-
serlichen und der päpstlichen Partei über das Reichsvikariat auch
zu innigerer Beschäftigung mit dem Rechtscharakter des Interreg-
nums Anstoss geben können; aber der Streit drehte sich in dieser
Hinsicht fast ausschliesslich um das Subjekt der Reichsregierung
im Zwischenreiche, und selbst Geister wie Marsilius von Padua und
Occam beschränken sich in ihren Streitschriften meist auf die Kom-
petenzfrage, so dass sie für unser Thema so gut wie keine Ausbeute
geben. Der erste Publizist, bei dem wir eine Theorie des Inter-
regnums selbst finden, ist LupoLD v. BEBENBURG in seinem bekann-
ten Werke: „de Juribus Regni et Imperii Romanorum“. Zwar hat
auch diese Schrift ihrem polemischen Charakter gemäss zunächst nur
auf die konkreten Verhältnisse des römisch-deutschen Reiches Bezug,
aber sie ist doch auch hier deshalb wichtig, weil sie ihre Sätze in
der Hauptsache aus dem allgemeinen Staats- und Völkerrechte nimmt
und ihnen gerade deshalb Gültigkeit für das Reich vindieirt, weil
ihnen allgemeine Gültigkeit für alle Staaten innewohnt: „Veri-
tatem autem eorundem articulorum per jus gentium et generales reg-
norum oceidentalium consuetudines .... probabo“ (Cap. V). Lv-
poLD steht im Banne der beiden schon das Mittelalter in hervor-
ragendem Masse beherrschenden ') Grundsätze der Volkssouveränetät
und des’ Staatsvertrags. Er lässt in Uebereinstimmung mit diesen
das Königthum durch einen Akt des souveränen Volkes entstehen,
1) Vgl. v. Bezov in der historischen Zeitschrift Bd. XXXVl. (1876) S. 313 ff;
GiERKE, Johannes Althusius S. 76 ff., S. 123 ff.; derselbe, Deutsches Genossen-
schaftsrecht III. S. 568 ff u. ö.
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