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Staatsgewalt vom Volke autorisirt wird; aber bei der Erbmonarchie
hat die ursprüngliche Wahl des Volkes schon im Voraus auch auf
die Descendenz des erstmalig Gewälten sich erstreckt. Im Interregnum
ist Inhaber der Staatsgewalt nach DarıEs das Subjekt, dem das Recht
der Neuwahl des Monarchen zusteht, also entweder das Volk als
Ganzes, wenn es den neuen Monarchen unmittelbar bestimmt, oder
einzelne Glieder des Staatsvolkes, wenn sie die Wahl vorzunehmen
haben; denn wer das Recht hat, die Staatsgewalt einer Person zu
übertragen, der muss nothwendig selbst im Besitze dieser Gewalt sein.
Je nachdem also das Wahlrecht dem ganzen Volke oder einem be-
stimmten Kreise des Volkes beiwohnt, bedeutet das Interregnum ent-
weder eine Demokratie oder eine Aristokratie: einen Staat aber ohne
einen persönlichen Inhaber der Staatsgewalt giebt es nicht.
IX. Unter den Neueren finden wir eine Konstruktion des Inter-
regnums als solchen nur bei BLUNTscHLı'!), und auch bei ihm in
nebensächlicher Behandlung. Er unterscheidet bei der Lehre von
der Zuständigkeit der Staatsgewalt, die er im Wesentlichen mit der
Souveränetät identifizirt, eine Staats- und eine Fürstensouveränetät.
Die erstere wohnt bei dem zur Staatspersönlichkeit erwachsenen Volke,
die letztere bei dem innerhalb des Staates und dessen Gesetzen ent-
sprechend die Fülle höchster Macht in sich vereinigenden Monarchen.
Auf der Staatssouveränetät beruht im Prinzip alle Staatsgewalt, also
auch die dem Fürsten zustehende; nur erscheint jene lediglich in der
Konstituirung und Gesetzgebung aktiv, während sie im Uebrigen ruht,
weil die dem Bedürfnisse des lebendigen Staates innerhalb der durch
Verfassung und Gesetze gezogenen Schranken gewidmete Thätigkeit
sich durch die Person des Fürsten vollzieht. Wird nun dieses Organ,
das den regelmässigen Funktionen des Staates die notlıwendigen
Impulse giebt, unfähig oder untauglich, oder erledigt sich der Thron,
ohne dass eine Nachfolge durch die Verfassung gesichert ist, so tritt
die Staatssouveränetät selbst wieder in Wirksamkeit, um den ent-
standenen Mangel zu beseitigen, mit anderen Worten: es giebt dann
keinen sinnlich wahrnehmbaren Träger der Staatsgewalt, es herrscht
allein die unsinnliche Persönlichkeit des Staates.
X. Erwähnenswerth sind an dieser Stelle mehrere neuere Schrift-
steller, die sich über die Wahlmonarchie und deren Interregna
ausgesprochen haben. Nach Srauu 2) ist die Wahlmonarchie überhaupt
1) Allgemeine Staatslehre S. 581 f.
2) Rechts- und Staatslchre (5. Aufl.) II. S. 211 £.