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keine echte Monarchie; denn in ihr sind die Unterthanen die Uı-
sache der königlichen Gewalt, also etwas dem Monarchen Ueber-
geordnetes. Nach dieser Meinung ist die Wahlmonarchie schon als
solche, weil in ihr der Fürst nur Organ des Volkes ist, eine Demo-
kratie; folglich ist das Interregnum prinzipiell ohne jede tiefer ein-
schneidende Bedeutung für den Staat selbst, da es nur die Zeit be-
deutet, in der das souveräne Volk sich an Stelle des weggefallenen ein
neues oberstes, von ihm begrifflich abhängiges Organ sucht. Aehnlich
wie STAHL erblieken RoscHER') und v. KALTENBORN’) im Wahlreiche
keine wahre Monarchie, sondern eine Art von Republik, „insgemein
einer aristokratischen“. Konsequent ausgesponnen kann diese Ansicht
dem Interregnum keine tiefere theoretische Bedeutung zumessen als
die SrauL'sche.?) Während die beiden genannten Autoren dem Wahl-
reiche wenigstens die Einheit der Verfassungsform lassen, sieht MEJER ')
in ihm, so lange der Monarch vorhanden ist, eine Einherrschaft, so
lange das nicht der Fall, also zur Zeit des Interregnums, eine Re-
publik: nach ihm lösen sich im Wahlreiche monarchische und re-
publikanische Perioden ab, die Wall ist ein republikanischer Regie-
rungsakt.
XI. Die Frage nach dem Interregnum während der Schwanger-
schaft der Monarchenwittwe hat erst in neuerer Zeit begonnen, in
ausgedehnterem Masse die wissenschaftlichen Geister zu beschäf-
tigen. Da fast alle Staatsverfassungen, in Deutschland mit alleiniger
Ausnahme des wieder aufgehobenen Staatsgrundgesetzes für Mecklen-
burg-Sehwerin von 1849, den Fall mit Stillschweigen übergingen, so
liessen ihn auch die Schriftsteller, namentlich die Bearbeiter der par-
tikularen Staatsrechte, meistens ausser Acht. Aus der älteren Litte-
ratur des allgemeinen Staatsrechts hat ihn, so viel wir sehen, nur
PUFENDORF ausführlicher behandelt; seine Auffassung der Rechtsfrage
ist schon vorhin dargestellt worden. Neuerdings hat man die Schwanger-
schaft der Wittwe des kinderlosen Monarchen häufig bei der Lehre von
der Regentschaft herbeigezogen; man erklärte jene als einen
der Gründe für den Eintritt einer Regierungsverwesung, ging aber
an dem Problem achtlos vorüber, indem man völlig iibersah oder nur
ganz flüchtig andeutete, dass diese Art der Regentschaft von allen
übrigen grundsätzlich verschieden sei. Dahin gehören namentlich
1) Allg. Zeitschr. f. Geschichte VII. S. 325.
2) Einleitung in das constitutionelle Verfassungsrecht S. 64.
3) Gegen beide ScHurze, Einleitung S. 191; Waızz, Politik S. 124.
4) Einleitung in das deutsche Staatsrecht (2. Ausg.) S. 8.