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müssen, wie sie es beim Vorhandensein des Monarchen gewesen
war. Ausdrücklich bestimmt dies die griechische Verfassung (a. 52).
Aber auch an sich wird die provisorische Regierung, weil nicht
Trägerin der Staatsgewalt, der Verantwortlichkeit prinzipiell nicht
enthoben sein. Man wird konsequenter Weise eine Durchbrechung
dieses Grundsatzes selbst dann nicht zugeben dürfen, wenn der
Reichsverweser, wie möglicherweise beim Interregnum in Folge der
Schwangerschaft der Monarchenwitwe, unzweifelhaft derjenige ist, der
nach Entscheidung über die Person des Successionsberechtigten sicher
deshalb unverantwortlich sein wird, weil er dann Regent oder Monarch
ist. Ist der Verweser in diesem Falle Mitglied des landesherrlichen
Hauses, so hat er allerdings in Strafsachen einen privilegirten Gerichts-
stand, falls das Gesetz für die Glieder der fürstlichen Familie einen
solchen zulässt; diesen hat er aber, weil er Mitglied der fürstlichen
Familie, nicht weil er Verweser ist. Er wird übrigens hier auch in
Beziehung auf die Rechtsverhältnisse der landesherrlichen Familie die
Stellung des Familienhauptes einnehmen und die hieraus fliessenden
Rechte üben können.
3. Aber die rechtliche Stellung der provisorischen Regierung
nähert sich der eines Regenten. Sie kommt mit dieser darin über-
ein, dass die provisorische Regierung wie der Regent die Staats-
gewalt ausübt, ohne Träger der Staatsgewalt, ohne Subjekt der
Herrschaft zu eigenem Rechte zu sein. Allein der Regent tibt die
Gewalt im Namen eines physischen Subjekts der Staatsgewalt, die
provisorische Regierung nicht. Sie übt eine Herrschaft, die an
keinen physischen Träger geknüpft ist; sie vertritt Niemanden, aber
sie füllt eine Lücke aus, die durch den Abgang des Monarchen ge-
rissen wurde.!) Nicht die Herrschaft, wohl aber die Ausübung der
Staatsgewalt steht ihr zu eigenem Rechte zu. Sie ist wie der Re-
gent prinzipiell zur Ausübung der gesamten Staatsgewalt, zur Ver-
mittlerin des Staatswillens in allen seinen Richtungen berufen. Aber
während der Regent grundsätzlich die gesamte Staatsgewalt ausübt,
auch soweit ihre Ausübung dem Monarchen allein vorbehalten ist,
weil er eben im Namen des Monarchen handelt, darf die provisorische
Regierung Staatsakte, deren Ausübung verfassungsmässig dem Mon-
archen allein zusteht, beim Fehlen des Herrschers nur insoweit vor-
nehmen, als dies unbedingt mit Rücksicht auf Existenz und Aufgabe
des Staates unabweisbares Bedürfniss ist. Wo in einzelnen Ver-
1) Perees a. a. O. S. 3.