Full text: Das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

68 Reichs= und Staatsangehörigkeitsgesetz. § 8. 
Im R. hat man lebhaft über diesen „Kautschukbegriff“ gestritten. 
Prot. S. 252, 267, 272, 5299, 5307, 5310, 5329. Verschiedent- 
lich hat man gefordert, der Begriff solle gestrichen werden. 
Stärkeren Anklang, wenn auch nicht die Mehrheit, hat der Ge- 
danke gefunden, den Begriff fest zu umgrenzen, insbesondere aus- 
zusprechen: der Mangel der Unbescholtenheit dürfe nicht in Tat- 
sachen erblickt werden, die der politischen Gesinnung oder Be- 
tätigung des Antragstellers oder seiner Konfession entnommen seien. 
(Antrag 1010 Prot. S. 5299.) 
Der diesem Antrag zu Grunde liegende Gedanke ist wohl nicht 
ganz richtig gefaßt. Gemeint ist, daß nicht eine politische oder 
kirchliche Gesinnung oder Betätigung als solche die Bescholten- 
heit zur Folge haben solle. Politisches oder kirchliches Verhalten 
kann im Einzelfalle sehr wohl zu dem Vorwurf der Bescholtenheit 
führen. Der Begriff Unbescholtenheit beschränkt sich nicht etwa 
nur auf das Gebiet des Geschlechtslebens, sondern umfaßt den 
ganzen Wirkungskreis des Menschen, und gerade auch die staats- 
bürgerliche Betätigung. Man wird einer Erörterung des Be- 
griffes Unbescholtenheit nicht damit begegnen können, ein Anspruch 
auf Einbürgerung bestehe hier nicht, und die Staatsgewalt brauche 
niemand einzubürgern, der ihr nicht genehm sei. Eine einheit- 
liche Gestaltung des Begriffes ist schon deshalb erforderlich, weil 
er auch für Fälle gilt, in denen ein Anspruch, sogar ein mit 
Rechtsmitteln verfolgbarer gegeben ist. — & 10, 11, 12, 13, 30. — 
Begriffe wie Unbescholtenheit lassen sich durch Wörter des Ge- 
setzes nicht umgrenzen, nicht mit einem lebensvollen Inhalt er- 
füllen. Hier muß die ausgebildete sittliche Persönlichkeit dessen 
eingreifen, der den Begriff im Leben anzuwenden hat. Damit 
erledigen sich die Angriffe auf den „Kautschukbegriff“. 
Der wichtigste Gedanke ist wohl der, daß für die Bescholtenheit 
nicht ein einzelner Umstand herausgegriffen werden dürfe, sondern 
daß die gegen wärtige sittliche Persönlichkeit als Ganzes zu 
betrachten set. Dabei ist gegenüber einer früheren Verfehlung das 
spätere Verhalten in Betracht zu ziehen. 
8. Unterkommen. Erläuterung 4 zu 7. 
9. Angehörigen. Erläuterung 5 zu 7. 
10. Armenverband. Die Zusammensetzung der Orts= und 
Landarmenverbände ist nach § 8 des Gesetzes über den Unter- 
stützungswohnsitz landesrechtlich geregelt. In der Regel bildet die 
Gemeinde zugleich den Ortsarmenverband. 
11. zu ernähren imstande ist. Es kommt hier, anders als in 
§7., auch die Besorgnis vor künftiger Verarmung in Frage. Nach-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.