68 Reichs= und Staatsangehörigkeitsgesetz. § 8.
Im R. hat man lebhaft über diesen „Kautschukbegriff“ gestritten.
Prot. S. 252, 267, 272, 5299, 5307, 5310, 5329. Verschiedent-
lich hat man gefordert, der Begriff solle gestrichen werden.
Stärkeren Anklang, wenn auch nicht die Mehrheit, hat der Ge-
danke gefunden, den Begriff fest zu umgrenzen, insbesondere aus-
zusprechen: der Mangel der Unbescholtenheit dürfe nicht in Tat-
sachen erblickt werden, die der politischen Gesinnung oder Be-
tätigung des Antragstellers oder seiner Konfession entnommen seien.
(Antrag 1010 Prot. S. 5299.)
Der diesem Antrag zu Grunde liegende Gedanke ist wohl nicht
ganz richtig gefaßt. Gemeint ist, daß nicht eine politische oder
kirchliche Gesinnung oder Betätigung als solche die Bescholten-
heit zur Folge haben solle. Politisches oder kirchliches Verhalten
kann im Einzelfalle sehr wohl zu dem Vorwurf der Bescholtenheit
führen. Der Begriff Unbescholtenheit beschränkt sich nicht etwa
nur auf das Gebiet des Geschlechtslebens, sondern umfaßt den
ganzen Wirkungskreis des Menschen, und gerade auch die staats-
bürgerliche Betätigung. Man wird einer Erörterung des Be-
griffes Unbescholtenheit nicht damit begegnen können, ein Anspruch
auf Einbürgerung bestehe hier nicht, und die Staatsgewalt brauche
niemand einzubürgern, der ihr nicht genehm sei. Eine einheit-
liche Gestaltung des Begriffes ist schon deshalb erforderlich, weil
er auch für Fälle gilt, in denen ein Anspruch, sogar ein mit
Rechtsmitteln verfolgbarer gegeben ist. — & 10, 11, 12, 13, 30. —
Begriffe wie Unbescholtenheit lassen sich durch Wörter des Ge-
setzes nicht umgrenzen, nicht mit einem lebensvollen Inhalt er-
füllen. Hier muß die ausgebildete sittliche Persönlichkeit dessen
eingreifen, der den Begriff im Leben anzuwenden hat. Damit
erledigen sich die Angriffe auf den „Kautschukbegriff“.
Der wichtigste Gedanke ist wohl der, daß für die Bescholtenheit
nicht ein einzelner Umstand herausgegriffen werden dürfe, sondern
daß die gegen wärtige sittliche Persönlichkeit als Ganzes zu
betrachten set. Dabei ist gegenüber einer früheren Verfehlung das
spätere Verhalten in Betracht zu ziehen.
8. Unterkommen. Erläuterung 4 zu 7.
9. Angehörigen. Erläuterung 5 zu 7.
10. Armenverband. Die Zusammensetzung der Orts= und
Landarmenverbände ist nach § 8 des Gesetzes über den Unter-
stützungswohnsitz landesrechtlich geregelt. In der Regel bildet die
Gemeinde zugleich den Ortsarmenverband.
11. zu ernähren imstande ist. Es kommt hier, anders als in
§7., auch die Besorgnis vor künftiger Verarmung in Frage. Nach-