Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

ständigen Menschen einfallen, ihn zu sich zu Tische zu laden"). Der 
Geschichtsunterricht betraf auch gerade mein Lieblingsthema, nämlich 
die Geschichte des Mittelalters, zu Hause las ich im Kohlrausch und 
Menzel das nach, was wir in der Schule durchgenommen hatten. 
Auch bildete ich mit einigen Kameraden ein Geschichtskränzchen zur 
Repetition der ganzen Geschichte der alten Zeit wie des Mittelalters, 
im Kränzchen wurden auch freie Vorträge gehalten und diese von 
den jedesmaligen Zuhörern zensiert und protokolliert. Neben dem 
Demosthenes lasen wir in der Klasse auch die Elektra des Sophokles, 
welch ein Geist lebt in dem Stück, welch ein tiefes sittliches Gefühl 
ist in den Chorliedern und den Reden und welch eine Innigkeit des 
Gemüts ist in dem Charakter der Elektra vertreten! 
Bei diesem Stück lernte ich wieder viel Neues in bezug auf das 
hellenische Schauspiel, sowohl was den Bau des Theaters angeht, 
als auch was die Einrichtung der Bühne, die Zahl und Bekleidung 
der Schauspieler und ihr Spiel betrifft. Auch da kamen mir die 
Vorträge des trefflichen Professors Bötticher über das hellenische 
Theater und Schauspiel sehr gelegen. 
Zu Ostern kamen wir in die Oberprima. Hier lasen wir des 
Horaz Satiren, die mir den Rest von Achtung, welchen die Oden 
mir übriggelassen hatten, schnell benahmen und ihn in meinen Augen 
in die unterste Klasse der Genußmenschen herabsetzten. Im Lateinischen 
lasen wir die Rede des Cicero „pro Sestio“", welche er mit Fug 
und Recht „p# Cicerone“ hätte betiteln können, denn der B. Sesiius 
wird kurz hier und da einmal erwähnt, sonst aber handelt die Rede 
vorzugsweise von der Trauer des populus Romanus um den Clodius 
und seine Bande und von der Freude des populus Romanus, als 
der Cicero wieder zurückberufen ward. Und da soll man den prahl- 
süchtigen Schönredner nicht verachten, wenn man daneben den herr- 
lichen Demosthenes hat? 
*] *o) Ich kann diese Stellen heute nicht ohne sillle Hesterkelt lesen. 
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