sie zu schildern. In mir entflammte er die heiße Begeisterung für
das klassische Altertum, besonders Griechenland, die mich mein Leben
hindurch begleitet hat und bis zu meinem Ende nicht verlassen wird.
Seine reine Seele befähigte ihn, das Edle und Erhabene im alten
Griechenland zu erfassen und zu gestalten; nie wurde er müde, darauf
hinzuweisen, daß kein Bolk der Erde so wie die alten Griechen die Gabe
besessen habe, allen seinen Erzeugnissen den wundervollen Geist der
Harmonie und Schönhett einzuflößen. Seine „Griechische Geschichte“,
die auf mich alles andere als den Eindruck eines trockenen Geschichts-
werkes machte, habe ich mit geradezu fieberhafter Begeisterung gelesen.
Curtlus war zart gebaut, die feingeschnittenen Züge seines Ant-
litzes zeigten einen Anflug von Klassizität und den Ausdruck begei-
sterungsfähiger Intelligenz. Freilich war auch ihm wie manch anderem
Professor die Gabe der Zerstreutheit zu eigen. Ich bin ihm oft auf
seinen Spazkergängen begegnet und sah jedesmal das gleiche Bild: die
Hände auf dem Rücken, den Hut etwas zurückgeschoben, vielleicht den
Olpmp oder die Akropolis im Gelst betrachtend, zog er träumend
seinen Weg, unbekümmert um das, was um ihn her vorging, so daß
er niemals semand beim Begegnen erkannte. Wenn ich ihn un-
versehens anredete, hörte er zuerst gar nicht, und dann, wie aus
dem Schlafe erwachend, schüttelte er mir freundlich die Hand und
begrüßte mich: „Ach, mein lieber Herr Heutnant, was bringt mir das
Vergnügen? Wie heißen Sie doch gleich?7“
Curtius und meinem Bater ist es zu verdanken, daß dem Deut-
schen Reich bei der Erforschung des alten Griechenlands sein gebüh-
render Antell und seinen Archäologen eine führende Nolle zuteil ge-
worden ist. Ich nenne nur den Namen Olpmpia.
III.
Meine Erziehung lag bis zu meinem siebenten Lebenssahre in
weiblichen Händen — in weiblichen, aber nicht übermäßig zarten!
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