Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

lichen, belletristischen und kunsthistorischen Charakters zur Seite. Von 
den archäologischen Vorträgen, die mir Professor Bötticher vom 
Alten Museum hielt, habe ich sehr viel Nutzen gehabt, ich werde 
seinen Namen im nächsten Kapitel noch einmal erwähnen. Wie stark 
wirkte aber Geheimrat Karl Werder, der bekannte Dichter, Philo- 
soph und Isthet auf mich! Der kleine, schmächtige Mann von un- 
endlicher Feinheit und Liebenswürdigkelt, der aller Herzen gewann 
und bellebt war bei meinen Elkern und Großeltern (was bemerkens- 
wert ist), war noch Vorleser bei König Friedrich Wilhelm IV. ge- 
wesen, war mit Humboldt bekannt, sowie mit zahlreichen Künstlern, 
Gelehrten und Schauspielern. Auch dem Herzog von Meiningen 
stand er nahe und hat diesem manchen Hinweis für die Auffassung 
von Nollen usw. gegeben. Er konnte ausgezeichnet vortragen, be- 
sonders die klassischen Dramen, wie er mir Schillers „Wallenstein“ 
gestaltete, wird mir unvergeßlich bleiben. Er hat ferner zusammen 
mit uns Dramen mit verteilten Rollen gelesen, uns auch für unsere 
Theateraufführungen, von denen ich schon sprach, eingeübt. Was 
ich an Lfteraturverständnis gewonnen habe, verdanke ich schlechthin 
hm. Sein Lieblingsheld war übrigens merkwürdigerweise Kolumbus, 
den er auch zum Vorwurf für ein Epos gemacht hat. Ein Bild 
dieses Seehelden hing in seinem Arbeitszimmer, und es freute ihn 
ungemein, daß ich die dargestellte Persönlichkeit sofort erkannte, als 
er mich danach fragte, er hat dieses Bild mir später zur Erinnerung 
vermacht. Ich habe ihn noch oft als Heutnant und auch später in 
dem Hause am Gendarmenmarkt besucht, wo unten der berühmte 
Weinkeller von Lutter VWegner sich befindet, und es waren immer 
Stunden ungetrübten Genusses, die ich bek ihm verlebte, und die bei 
mir in dankbarem Gedenken stehen. Bon meiner Freundschaft zu ihm 
legt der große Findlingsblock auf seinem Grabe auf dem Berliner Gar- 
nisonfriedhofe Zeugnis ab, den die Inschrift ziert: Amico Imperator. 
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