39 Betrachtungen
Um den Arbeiter im leistungsfähigen Zustande zu erhalten,
ist die Uebertragung von Krankheitsfällen, eines Mangels an
Beschäfligung für kürzere Zeit und der Gebrechlichkeit des Alters
unentbehrlich. So lange die Leibeigenschaft und Unterthänigkeit
bestand, war die Verpflichtung des Herrn, für diese ausser-
ordentlichen und weder genau abzumessenden, noch vorauszu-
sehenden Bedürfnisse zu sorgen, die natürliche Folge seines
Rechtes, über die Kräfte des Hörigen unbeschränkt zu verfügen.
Im Falle eines längeren. Dienstvertrages und des ungestörten
Fortbestandes desselben für eine Reihe von Jahren wird dieses
Verhältniss auch heute noch, theils durch das Gesetz, theils
durch die Sitte als das natürliche, dem Rechte und der Billigkeit
entsprechende bezeichnet.
Das Dienstverhältniss in der Form, welche die dauernde
Abhängigkeit des Arbeiters von einem Lohnherrn begründet
und dadurch die Pflicht des letzteren, ihm seinen vollständigen
Unterhalt zu gewälren, klar vor Augen legt, ist aufgelöset;
auch der Abschluss von Verträgen, auf längere Zeit macht mehr
und mehr einem weniger gebundenen Verhältnisse Raum, welches
beiden Theilen gestaltet, nach Ablauf einer kurzen Kündigungs-
frist, ja zuletzt selbst nach dem Bedürfniss und der Erwägung
des Tages das Verhältniss abzubrechen, um ein neues zu knüpfen.
Wie die Fabrikarbeiter die Bande abgestreift haben, durch welche
die mittelalterliche Gewerbeverfassung den Meister und Gesellen
zusammenhielt, und in den Städten schon seit längerer Zeit der
noch ungebundenere Stand der Tagearbeiter zahlreich geworden
ist, so beginnt auch bei dem Betriebe der Landwirthschaft das
Verhältniss des sogenannten freien Arbeiters (Loosmannes u. dgl.)
allmälig an die Stelle des länger dauernden Vertrages zu treten.
Ohne Zweifel hätte der Arbeiter in Folge der ihm eingeräumten
völligen Freiheit nunmehr auch die in der gebrechlichen
Natur des Körpers und der Wandelbarkeit der Verkehrsverhält-
nisse begründeten Ausfälle seines Erwerbes, sowie die vorkom-
menden Steigerungen seiner gewöhnlichen Bedürfnisse selbst
übernehmen und aus dem Verdienst der bessern Tage’ bestreiten
sollen. Allein diese wirkliche Selbstständigkeit — zu-
gleich die Vorausseizung und Folge seiner Freiheit — zu