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setzen nach kurzer Zeit ihre Eier ab und sterben
bald darauf.
Der Tasarfalter ist über ganz Indien, mit Aus-
nahme von Burma, verbreitet und findet sich be-
sonders in den Ebenen und Niederungen.
Die Tasarseide besteht aus einem Doppelfaden,
wodurch sie sich besonders von der Bombyxseide
unterscheidet. Die Naupe klebt beim Spinnen die
Seide mittelst einer klebrigen Substanz zusammen.
Um die Cocons abwickeln zu können, hat man sie
daher zunächst durch Kochen in laugehaltigem Wasser
zu erweichen. Man trocknet die Cocons darauf in
der Sonne und spult sie trocken ab, in ähulicher
Weise wie die der Bombyciden.
Geringere Bedentung für den auswärtigen Handel
haben bis jetzt die folgenden beiden in Indien theil-
weise gezüchteten wilden Seidenwürmer, der „Eri“
und „Muga“ erlangt. Ersterer ist die fingerlange
Raupe von Attacus Ricini. Man kultivirt zur
Zucht die Ricinusstande, überwacht die Paarung und
das Eierlegen der Falter und füttert die aus-
kriechenden Raupen in Schuppen mit den Blättern
der Ricinusstaude oder man setzt, wie dies gewöhn-
lich geschieht, die stärker entwickelten Raupen auf
dieselben.
Der Mugaseidenwurm ist die Raupe der ver-
wandten Spezies Antheraen Assam und wird, wie
schon der Name sagt, besonders in der Provinz
Assam in ähnlicher Weise wie der Eriseidenwurm
theilweise gezüchtet. Die 5 bis 6 Zoll lange Raupe
lebt auf Cinnamomum-Symphois-Arten; ein Lieb-
lingsfutter aber bilden für sie die Blätter des
osumtrec“ Macharus odoratissima, welcher da-
her für die Zucht der Muga angebaut wird.
Man überläßt die Raupen sich selber und trägt
nur Sorge, Vögel und andere Raupenfeinde zu ver-
scheuchen, welche jedoch troth4dem einen großen Theil
der Raupen fressen. Wenn die Mugaseidenwurm-
raupe zur Verpuppung schreiten will, sieigt sie ge-
wöhnlich vom Baume herab und wird nun auf Ge-
stelle gesetzt, wo sie ihr eiwa zwei Zoll langes Cocon
spinnt.
Sie benußt dazu wie auch die Eriraupe und
der Tasarwurm einen Kitt, der durch Kochen der
Cocons in alkalischem Wasser entfernt wird, wobeie
die häufig röthlich gefärbten Ericocons zugleich ent-
färbt werden.
Mit der Zeit dürften die bisher nur von den
einheimischen Konsumenten geschätzten beiden Seiden-
arten, die Eri= und Mugaseide, auch für den euro-
päischen Markt Bedentung erlangen.
In Anbetracht der leicht auszuführenden Kultur
der Ricinusstaude, einer spezifisch afrikanischen, in
Indien nur akklimatisirten Pflanze, verdient die
Zucht des Attacus Ricini, des Eriseidemwurms für
Ostafrika ohne Zweifel Beachtung.
Die in Indien mit Bombyx mori gemachten
Erfahrungen jedoch stellen einer Wiederholung des
Experimentes im tropischen Afrika kein günstiges
Prognostikon. Vielleicht ließe sich diese Spezies in
den kälteren Distrikten unserer Kolonie, etwa im
Usambaragebirge oder am Kilimandjaro, erfolgreich
einführen, jedenfalls aber mit Schwierigkeiten, da
die Eier während des Transports durch das heißere
Vorland, der mit den bisherigen Verkehrsmitteln
längere Zeit in Anspruch nimmt, wesentlich Schaden
erleiden, wenn nicht gänzlich absterben würden.
Die Erfahrungen mit der Spezies Bombyx mori,
dem Seidenspinner der gemäßigten Zone, sind in
Indien theuer erkauft worden, und so wären in Ost-
afrika Zuchtversuche mit den indischen Bombyciden,
den Seidenspinnern der heißen Zone, vielleicht räth-
licher, zumal eine sorgsame Pflege der Raupen unter
europäischer Kontrole, wie sie jetzt in Indien nicht
mehr geübt wird, und ein rationeller Abhaspelungs-
prozeß nach modernen Methoden bessere Erfolge
zeitigen würde, als in Indien jetßzt erzielt werden.
Auf die Erlangung eines pebrinefreien Stammes
würde besonderes Gewicht zu legen und zu diesem
Zwecke eine genaue mikroskopische Prüfung der nach
der Paarung und dem Eierlegen gestorbenen Falter
vorzunehmen sein. Nur von völlig pebrinefreien
Eltern erzeugte Eier wären zur ferneren Zucht zu
verwenden, alles Uebrige aber sofort zu verbrennen.
Zum Schutz gegen die „silkworm fly“ oder
eine ähnliche Art, welche sich in den Seidenzüchte-
reien möglicherweise einstellen könnte, wird gerathen,
die Raupengestelle mit Draht oder mit Muskito-
neßen zu umgeben; ein Schutzmittel, das die indi-
schen Seidenzüchter zu arm sind, sich zu beschaffen.
Der indische Seidenhandel, der am Ende des
vorigen Jahrhunderts unter der besonderen Fürsorge
der Ostindischen Kompagnie seine Blüthezeit hatte,
ist wegen der großen Konkurrenz Ostasiens wie
Frankreichs und Italiens zurückgegangen.
Die nachstehenden Uebersichten über die indische
Einfuhr und Ausfuhr von Rohseide und Seiden-
stoffen in den letzten Jahren zeigen in dem bedeu-
tenden Ueberschuß des Nettoimports über den Export,
daß Indien nicht im Stande ist, seinen Bedarf durch
die eigene Produktion zu decken, vielmehr noch ein
großes Quantum von Rohseide aus China, von
Seidenstoffen aus China und noch mehr aus Europa
einführen muß. Der Hauptstapelplaß der Einfuhr,
besonders aus China, ist Bombay, wohin wegen der
theuren Opiumrückfracht Seide aus China zu billigeren
Frachten gelegt werden kann, als sie das auf den
Eisenbahntrausport angewiesene Produkt Bengalens
und Assams zu zahlen haben würde.
Stapelplatz der indischen Seidenausfuhr ist
Calcutta.