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Citeratur.
Die Eisenbahnen Afrikas. Grundlagen und
Gesichtspunkte für eine koloniale Eisenbahn-
politik in Afrika. Mit zahlreichen Karten und
einer farbigen Karte über die Eisenbahnen und
Wasserverkehrsstraßen Afrikas. Berlin 1908.
Verlag von Wilhelm Süsserott. Preis 5 Mk.
Mit vorliegendem Werk hat das Kolonial-=
politische Aktionskomitee seine von den
letzten Reichstagswahlen noch allgemein bekannte
Tätigkeit wieder ausgenommen. Durch das Ent-
gegenkommen des Reichstags und der Kolonial=
verwaltung war das Komitee in den Stand
gesetzt, von der umfangreichen amtlichen Denk-
schrift über die Eisenbahnen Afrikas, eine für die
Allgemeinheit bestimmte, den wesentlichen Inhalt
getreu wiedergebende Ausgabe zu veranstalten.
Der erste Teil des Werks enthält ebenso wie das
amtliche Original in bestimmter Anordnung eine
sachliche Schilderung der Entwicklung und des
Standes, des Baues und Betriebs, der Unter-
nehmungsform, der Rentabilität, der wirtschaft-
lichen Wirkungen und der strategisch-politischen
Bedeutung aller zur Zeit in den afrikanischen
Kolonien vorhandenen Eisenbahnen sowie der
zur Zeit bestehenden Projekte. Im 2. Abschnitt
werden in derselben Anordnung die sich erge-
benden Folgerungen für die gesamte kolonial=
politische Bedeutung des Eisenbahnwesens mit
besonderem Hinblick auf die Deutsch-Afrikanischen
Kolonien erörtert.
Die Länge des gesamten Eisenbahnnetzes in
Afrika bekrägt rund 27 354 km. Davon kommen
auf England 13 117 km, Agypten 5252 km,
Frankreich 5657 km, Deutschland 1398 km,
Portugal 1173 km. Auf Deutschland fallen
demnach nur 5,1 Proz, der Gesamtlänge.
Trotz der frühzeitigen Anlage einiger Eisen-
bahnen ist Afrika am spätesten in die eigent-
liche Periode des Eisenbahnbaues eingetreten.
Heute steht es in erster Reihe, denn der Zuwachs
an Bahnen weist gegenüber anderen Ländern die
größte prozentuale Steigerung auf. Deutschlands
Kolonien find, da der Kongostaat mit seinen vor-
trefflichen Wasserstraßen nicht gut zum Vergleich
herangezogen werden kann, wie schon die obigen
Zahlen zeigen, am schlechtesten gestellt. Fallen
doch auf je 10 000 Einwohner in den deutschen
Kolonien nur 1,21 km Eisenbahn, während
der Durchschnitt für ganz Afrika 2,34 km und
in Agypten sogar 5,40 km beträgt.
Englands zielbewußte Weltpolitik setzt sich in
seinen Kolonien fort. Frankreich hat sich ein
ausgedehntes Kolonialreich geschaffen, dessen ein-
zelne Glieder systematisch durch Schienenstränge
miteinander verbunden werden. Selbst Portugal
ist auf dem Wege, seinen Kolonialbesitz in Afrika
durch Eisenbahnen wertvoll zu machen. Die harte
Schale, welche, um mit Stanley zu reden, die
kostbare Nuß Afrika umgibt, wird durch die
Eisenbahnen gesprengt. Afrika ist nicht mehr der
dunkle Erdteil, sondern ein gewaltiger Markt für
Erzeugnisse der europäischen Produktion und ein
wichtiger Produzent der für Enuropa unentbehr-
lichsten Rohstoffe geworden.
Man wird in Ländern, wie den afrikanischen
Kolonien, wo die Eisenbahnen nicht nur ein
Mittel, sondern zur Zeit das wichtigste Mittel
zur wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung
des Landes sind, noch mehr als anderswo
zwischen direkter und indirekter Rentabilität der
Eisenbahnen unterscheiden müssen. Was die
direkte Rentabilität angeht, so zeigt es sich bei
der Betrachtung der finanziellen Verhältnisse, daß
nahezu alle afrikanischen Eisenbahnen bereits von
der Eröffunng an, oder innerhalb sehr kurzer
Frist nachher, mindestens ihre eigenen Betriebs-
ausgaben zu decken vermochten, eine größere
Anzahl hatte von vornherein eine Rente. Die
indirekte Rentabilität, die vielfach in Wechsel-
wirkung mit der direkten steht, darf nicht unter-
schätzt werden. Sie stellt bei den Kolonien eine
sehr reale Ergänzung der direkten Rentabilität
der Eisenbahnen dar. Import= und Export-
handel erhöhen sich erheblich unter dem Einfluß
der Eisenbahnen und damit findet eine ent-
sprechende Steigerung der Zolleinnahmen statt;
so sind z. B. unter dem Einfluß der Uganda-
bahn die Zolleinnahmen des deutschen Platzes
Muansa am Viktoriasee von 120 Rp. im Jahre
1900 auf 128 561 Rp. im Jahre 1905 ge-
stiegen.
Die deutschen Schutzgebiete in Afrika liegen
mit Ausnahme von Südwestafrika, dessen teurer
Ochsenwagenverkehr durch den Aufstand hin-
länglich bekannt geworden ist, ausschließlich in
der Zone des Trägerverkehrs. Erst wenn man
von einem Vergleich der Leistungsfähigkeit der
Eisenbahnen mit den früher zur Verfügung
stehenden Verkehrsmitteln ausgeht, kann man die
wirtschaftliche Wirkung der afrikanischen Eisen-
bahnen richtig würdigen. Im allgemeinen kann
man rechnen, daß der Trägertransport für
Tagemarschentfernung (15, höchstens 20 km)
von der Küste den Doppelzentner Importware
oder Exportware um 8 Mk., die Tonne also um
80 Mk. verteuert. Man hat berechnet, daß
1 Tonne Ware im Innern Afrikas durchschnitt-
lich 1000 bis 2000 Francs mehr kostet als an
der Küste, wenn Eisenbahnen für den Transport
nicht vorhanden find. Die bisherige Gewinn-
grenze wird beim Vorhandensein einer Eisen-
bahnverbindung entsprechend weit in das Land