Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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bezahlen haben, und den zahlreichen Pässen oder 
Erlaubnisscheinen, mit denen sie sich zu versehen 
haben; in den beschränkenden, unbeliebten und 
unbekannten Gesetzen, denen sie sich zu unter- 
werfen haben; in den Frondiensten, die sie für 
öffentliche Arbeiten zu leisten haben, und in der 
Auflösung ihres Stammes= und Familiensystems. 
Dies sind ihre hauptsächlichen Klagen, von denen 
später noch mehr im einzelnen zu reden sein 
wird. Obwohl die Eingeborenen ihren Verbind- 
lichkeiten sowohl öffentlicher wie privater Natur 
bis zu einem gewissen Grade während des letzten 
Jahres haben gerecht werden können, ist ihre 
Fähigkeit, denselben gegenwärtig nachzukommen, 
bedeutend verringert worden durch Verlust ihres 
Viehes infolge Krankheiten, durch Mißernten in- 
folge der Heuschreckenplage sowie infolge einer 
wachsenden Vernachlässigung der Kultivierung, 
namentlich seitens der Frauen, und schließlich 
durch eine allgemeine Ermäßigung der Löhne und 
Arbeitsmöglichkeiten. 
Die Kommissare sind der Ansicht, daß Lage 
und Haltung der Eingeborenen im Zululand in 
einem augenfälligen Gegensatz zur Lage und 
Haltung der Eingeborenen in Natal stehen; sie 
schreiben diesen Umstand allein der Tatsache zu, 
daß diese sich selbst mehr überlassen worden sind 
als jene und nicht unter den ungebührlichen 
Forderungen der Grundeigentümer gelitten haben. 
Aber selbst in gewissen Distrikten des Zululandes 
haben die Eingeborenen für die Veräußerung ihres 
Landes zwecks eunropäischer Okkupation — eine 
Politik, die unzweiselhaft die Keime von Unruhen 
in sich enthält — ein feines Gefühl. Die Kom- 
missare empfehlen deshalb den Vorbehalt einer 
größeren Fläche des Zululandes für die sich aus- 
breitende eingeborene Bevölkerung und „den 
engeren Zusammenschluß und den wohltätigeren 
Gebrauch der Eingeborenen-Reservate sowohl in 
Natal als im Zululand“. 
„Um zusammenzufassen: Wir haben keine der 
verschiedenen Klassen zufriedengestellt, die die 
Eingeborenen-Gemeinschaften des Staates bilden. 
Die Eingeborenen in gehobener Stellung glauben, 
daß man ihnen auf ihre Bitte um Brot Steine 
gegeben hat, indem man ihnen die vollen Vor- 
rechte der Europäer versagte. Die christlichen 
oder gebildeten Eingeborenen wünschen noch mehr 
Ausbildung, Landpachtzuweisungen auf Missions- 
reservaten und ausreichende Gelegenheiten für die 
Beschäftigung ihrer Kinder. Die Halbblutrassen 
beklagen sich, weil ihr Verlangen, von den ein- 
geborenen Gesetzen befreit und mit ihren euro- 
päischen Vorfahren gesetzlich gleichgestellt zu werden, 
beständig ignoriert worden ist. Im Gegensatze 
aber zu diesen nach Besserstellung Strebenden 
stehen die Kraal-Eingeborenen, die die große 
  
Masse der Bevölkerung darstellen und die einfach 
verlangen, in Ruhe gelassen zu werden und unter 
der Herrschaft ihres Häuptlings ihr eigenes Leben 
in der bisherigen trägen Weise weiterführen zu 
können.“ Auf die Wirkungen der Eifersucht der 
einzelnen Stämme aufeinander ist jetzt, wo das 
alte System des Zusammenlebens der Eingeborenen 
in großem Maßstab verlassen worden ist, länger 
kein Verlaß mehr in der Richtung, daß dadurch 
einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Regierung 
vorgebeugt werden könnte: eine positive Politik 
an Stelle einer negativen ist deshalb ein dringen- 
des Erfordernis. „Welches wird das Schicksal 
dieser Kolonie mit ihrer überwältigend großen 
Eingeborenen-Bevölkerung sein? Bei ihrer be- 
kannten Fruchtbarkeit und Manneskraft werden 
sie nicht aussterben oder einem gewöhnlichen 
Gegner unterliegen, und da wir sie weder uns 
gleichstellen noch sie vernichten können, so ver- 
langen politische Voraussicht und der gesunde 
Menschenverstand in gleicher Weise die Lösung 
der Frage auf einer breiten, klaren und dauern- 
den Basis.“ Es muß dabei klargestellt sein, daß 
die Vorherrschaft der weißen Rasse gegen alle 
Zufälle gesichert werden muß, und daß kein Ver- 
such, sie zu zerstören, geschehe er offen oder im 
stillen, geduldet werden darf. Aber der Nimbus 
des weißen Mannes ist beeinflußt worden durch 
die Annahme eines Systems, das ihm nur in 
einem sehr geringen Maße erlanbt, seine persön- 
lichen Fähigkeiten zu verwerten. „Bei einer Be- 
völkerung, die an eine persönliche Herrschaft ge- 
wöhnt ist und keine andere begreifen würde, ist 
ein wesentliches Erfordernis, daß der anziehende 
und mächtige Einfluß menschlicher Leutseligkeit 
und Sympathie nicht ignoriert werden darf, da 
er zu deren erfolgreicher Ausübung unerläßlich 
ist. Indem man an Stelle des Mitgefühls das 
Gesetz stellte, hat man lediglich den Erfolg ge- 
zeitigt, daß das Vertrauen der Eingeborenen ge- 
schwächt und zerstört wurde.“ „Die Verwaltung 
für eingeborene Angelegenheiten. muß, wenn sie 
erfolgreich sein soll, eine eigene sich in mäßigen 
Grenzen haltende Verfassung haben, die auf dem 
autokratischen Prinzip der Kontrolle gegründet ist.“ 
Unter der Herrschaft der verantwortlichen Regie- 
rung ist dieser Grundsatz weniger berücksichtigt 
worden, als dies unter dem Regime der Kron- 
kolonie der Fall war. Insbesondere übersteigt 
die Veränderlichkeit in der Person der Verwal- 
tungsbeamten das Begriffsvermögen der Ein- 
geborenen und erregt ihren Argwohn. Sie ver- 
stehen, weshalb mit dem Gouverneur, als dem 
Vertreter des Monarchen, gewechselt werden muß, 
aber es erfüllt sie mit Erstaunen, daß Minister 
kommen und gehen sollen ohne ersichtlichen 
Grund.“ Auch wird ein Minister, der der Ab- 
 
	        
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