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bezahlen haben, und den zahlreichen Pässen oder
Erlaubnisscheinen, mit denen sie sich zu versehen
haben; in den beschränkenden, unbeliebten und
unbekannten Gesetzen, denen sie sich zu unter-
werfen haben; in den Frondiensten, die sie für
öffentliche Arbeiten zu leisten haben, und in der
Auflösung ihres Stammes= und Familiensystems.
Dies sind ihre hauptsächlichen Klagen, von denen
später noch mehr im einzelnen zu reden sein
wird. Obwohl die Eingeborenen ihren Verbind-
lichkeiten sowohl öffentlicher wie privater Natur
bis zu einem gewissen Grade während des letzten
Jahres haben gerecht werden können, ist ihre
Fähigkeit, denselben gegenwärtig nachzukommen,
bedeutend verringert worden durch Verlust ihres
Viehes infolge Krankheiten, durch Mißernten in-
folge der Heuschreckenplage sowie infolge einer
wachsenden Vernachlässigung der Kultivierung,
namentlich seitens der Frauen, und schließlich
durch eine allgemeine Ermäßigung der Löhne und
Arbeitsmöglichkeiten.
Die Kommissare sind der Ansicht, daß Lage
und Haltung der Eingeborenen im Zululand in
einem augenfälligen Gegensatz zur Lage und
Haltung der Eingeborenen in Natal stehen; sie
schreiben diesen Umstand allein der Tatsache zu,
daß diese sich selbst mehr überlassen worden sind
als jene und nicht unter den ungebührlichen
Forderungen der Grundeigentümer gelitten haben.
Aber selbst in gewissen Distrikten des Zululandes
haben die Eingeborenen für die Veräußerung ihres
Landes zwecks eunropäischer Okkupation — eine
Politik, die unzweiselhaft die Keime von Unruhen
in sich enthält — ein feines Gefühl. Die Kom-
missare empfehlen deshalb den Vorbehalt einer
größeren Fläche des Zululandes für die sich aus-
breitende eingeborene Bevölkerung und „den
engeren Zusammenschluß und den wohltätigeren
Gebrauch der Eingeborenen-Reservate sowohl in
Natal als im Zululand“.
„Um zusammenzufassen: Wir haben keine der
verschiedenen Klassen zufriedengestellt, die die
Eingeborenen-Gemeinschaften des Staates bilden.
Die Eingeborenen in gehobener Stellung glauben,
daß man ihnen auf ihre Bitte um Brot Steine
gegeben hat, indem man ihnen die vollen Vor-
rechte der Europäer versagte. Die christlichen
oder gebildeten Eingeborenen wünschen noch mehr
Ausbildung, Landpachtzuweisungen auf Missions-
reservaten und ausreichende Gelegenheiten für die
Beschäftigung ihrer Kinder. Die Halbblutrassen
beklagen sich, weil ihr Verlangen, von den ein-
geborenen Gesetzen befreit und mit ihren euro-
päischen Vorfahren gesetzlich gleichgestellt zu werden,
beständig ignoriert worden ist. Im Gegensatze
aber zu diesen nach Besserstellung Strebenden
stehen die Kraal-Eingeborenen, die die große
Masse der Bevölkerung darstellen und die einfach
verlangen, in Ruhe gelassen zu werden und unter
der Herrschaft ihres Häuptlings ihr eigenes Leben
in der bisherigen trägen Weise weiterführen zu
können.“ Auf die Wirkungen der Eifersucht der
einzelnen Stämme aufeinander ist jetzt, wo das
alte System des Zusammenlebens der Eingeborenen
in großem Maßstab verlassen worden ist, länger
kein Verlaß mehr in der Richtung, daß dadurch
einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Regierung
vorgebeugt werden könnte: eine positive Politik
an Stelle einer negativen ist deshalb ein dringen-
des Erfordernis. „Welches wird das Schicksal
dieser Kolonie mit ihrer überwältigend großen
Eingeborenen-Bevölkerung sein? Bei ihrer be-
kannten Fruchtbarkeit und Manneskraft werden
sie nicht aussterben oder einem gewöhnlichen
Gegner unterliegen, und da wir sie weder uns
gleichstellen noch sie vernichten können, so ver-
langen politische Voraussicht und der gesunde
Menschenverstand in gleicher Weise die Lösung
der Frage auf einer breiten, klaren und dauern-
den Basis.“ Es muß dabei klargestellt sein, daß
die Vorherrschaft der weißen Rasse gegen alle
Zufälle gesichert werden muß, und daß kein Ver-
such, sie zu zerstören, geschehe er offen oder im
stillen, geduldet werden darf. Aber der Nimbus
des weißen Mannes ist beeinflußt worden durch
die Annahme eines Systems, das ihm nur in
einem sehr geringen Maße erlanbt, seine persön-
lichen Fähigkeiten zu verwerten. „Bei einer Be-
völkerung, die an eine persönliche Herrschaft ge-
wöhnt ist und keine andere begreifen würde, ist
ein wesentliches Erfordernis, daß der anziehende
und mächtige Einfluß menschlicher Leutseligkeit
und Sympathie nicht ignoriert werden darf, da
er zu deren erfolgreicher Ausübung unerläßlich
ist. Indem man an Stelle des Mitgefühls das
Gesetz stellte, hat man lediglich den Erfolg ge-
zeitigt, daß das Vertrauen der Eingeborenen ge-
schwächt und zerstört wurde.“ „Die Verwaltung
für eingeborene Angelegenheiten. muß, wenn sie
erfolgreich sein soll, eine eigene sich in mäßigen
Grenzen haltende Verfassung haben, die auf dem
autokratischen Prinzip der Kontrolle gegründet ist.“
Unter der Herrschaft der verantwortlichen Regie-
rung ist dieser Grundsatz weniger berücksichtigt
worden, als dies unter dem Regime der Kron-
kolonie der Fall war. Insbesondere übersteigt
die Veränderlichkeit in der Person der Verwal-
tungsbeamten das Begriffsvermögen der Ein-
geborenen und erregt ihren Argwohn. Sie ver-
stehen, weshalb mit dem Gouverneur, als dem
Vertreter des Monarchen, gewechselt werden muß,
aber es erfüllt sie mit Erstaunen, daß Minister
kommen und gehen sollen ohne ersichtlichen
Grund.“ Auch wird ein Minister, der der Ab-