Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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lionen Mark am Viltoriasee nur auf der Basis 
der Negerproduktion etabliert hat. 
Daraus habe ich geschlossen, daß die Aufgabe, 
die uns hier zunächst obliegt, darin besteht: die 
Produktion und die Konsumfähigkeit des Schwarzen 
zu heben. Der Weiße sorgt, wie Sie sehen, für 
sich selbst, auch wir sorgen für ihn. Aber der 
Schwarze muß in seiner Konsumfähigkeit und vor 
allem in seiner Sanität gehoben werden. Das 
liegt ebenso im Interesse der Plantagen. Je 
kräftiger der Arbeiter ist, desto mehr leistet er. 
Die Gesundheitspflege liegt sehr im argen. 
Es gibt sehr wenig alte Neger. Die Sterblich- 
keitsziffer der Neger steht noch nicht fest, sie ist 
aber zweifellos größer als die der Weißen. Wir 
haben verschiedene Seuchenherde, Pest und Lepra, 
alle Sorten von Magenkrankheiten, von Darm- 
krankheiten; wir haben große Syphilissterblichkeit, 
wir haben viele Malaria, die Schlafkrankheit. 
Kurzum, die Anzahl der Krankheiten, von denen 
diese Neger verfolgt werden, ist Legion. 
Bis jetzt haben wir Arzte gehabt, die vorzugs- 
weise im militärischen Dienste standen, den Ein- 
geborenen auch viel genützt haben, aber auch sehr 
schnell versetzt wurden. Zu einem organisierten 
Studium ist es nicht gekommen. Diesem Mangel 
soll abgeholfen werden. Ich will als Erstes hier 
versuchen, ein Sanitätsamt einzurichten, welches 
sämtliche mit der Negersanität zusammenhängende 
Fragen studiert und alle Mittel angibt, um eine 
bessere Sanität, vor allen Dingen um eine bessere 
Fortpflanzung zu ermöglichen. Es ist eine sehr 
merkwürdige Situation, daß im Durchschnitt auf 
die Hütte in Ostafrika drei bis dreieinhalb Menschen 
kommen, d. h., daß die Kinderzahl entgegen allen 
anderen Beobachtungen bei diesen Negern sehr 
gering ist. Dem Oberstabsarzt von Ostafrika ist 
der Auftrag erteilt worden, einen Plan aus- 
zuarbeiten, wonach das Land in einzelne Physikats- 
bezirke geteilt werden soll. Die Mittel dafür 
werden, wie ich Ihnen später erläutern werde, 
aus den Kommunalfonds genommen. 
Ebenso müssen wir aber auch die wirtschaft- 
lichen Kräfte zusammenfassen, um eine bessere 
Landeskultur einzuführen, Versuche mit besseren 
Getreidearten zu machen und Wasserstellen auf- 
zusuchen. Ich meine, die Wasserfrage in Ost- 
afrika ist nahezu so wichtig wie die in Süd- 
westafrika. Aufforstungen, Anpflanzungen von 
Kulturbäumen müssen vorgenommen werden. Die 
Vertilgung der Viehkrankheiten, die Einführung 
besserer Sorten Vieh — alle diese Dinge muß 
ein Landeskulturamt in die Hand nehmen. 
Die Mittel sollen auch dafür aus den Kom- 
munalfonds fließen. 
Ich komme hiermit auf die von dem Herrn 
Abg. Dr. Semler bereits gemachte Mitteilung zu- 
rück, daß die Absicht besteht, im nächstjährigen 
  
Etatsentwurfe nicht mehr, wie es jetzt geschieht, 
50 v. H. der Erträgnisse der Häuser= und Hütten- 
steuer und 30 v. H. der Gewerbesteuer für die 
Kommunalkassen auszuscheiden. Die beiden Steuern 
sollen vielmehr ganz vereinnahmt werden. Dafür 
sollen in Form von Pauschalen in jedem der 
einzelnen Bezirke — ich will die Kommunen 
möglichst aufheben — solche Summen eingesetzt 
werden. Dagegen müssen Daressalam und Tanga 
eine städtische Verfassung haben. 
Damit komme ich auf die Verwaltung des 
Schutzgebietes und habe darüber sehr aus- 
führlich zu sprechen. 
Die Kommunen, die im Jahre 1901 gebildet 
worden sind, sind nur dem Namen nach Kom- 
munen und wenn Sie sehen, wer diese Bezirks- 
räte sind, die bei der Aufstellung des Etats mit- 
wirken, so kommen Sie zu sehr merkwürdigen 
Sachen. Da ist z. B. der Bezirk Rufiji. Dort 
ist ein Landwirt und sind zwei staatliche Förster 
die Bezirksräte, drei Unteroffzziere sind Stell- 
vertreter. So ist es an vielen Stellen. Die 
Mittel aber, die diesen eigentlich nicht existieren- 
den Kommunen zugeführt werden, sind ganz ge- 
waltig. Sie würden in diesem Jahre 750000 Mk. 
aus Hüttensteuer und 90 000 Mk. aus Gewerbe- 
steuer sein. Das schien mir schon viel zu viel. 
Ich habe ihnen deshalb 250 000 Mk. für die 
Landespolizei abgenommen. 
Wenn man die Wirtschaftspläne ansieht, so 
findet man, daß nicht sehr wirtschaftlich gearbeitet 
wird. (Diese Pläne sind im amtlichen Anzeiger 
von Ostafrika vom 15. Juni 1907 abgedruckt.) 
Das könnte man abändern. Aber der organische 
Grundfehler ist, daß die reichen Bezirke, die viel 
aufbringen, die Hälfte gar nicht zweckmäßig ver- 
wenden können und daß sie deshalb thesaurieren, 
während andere Bezirke, die das Geld außer- 
ordentlich brauchen, überhaupt nichts bekommen. 
Deshalb will ich diese Einrichtung aufheben und 
an deren Stelle Pauschale setzen. Der Etat soll 
wie bisher durch die Bezirksräte aufgestellt werden; 
der Gouverneur soll nicht nach Maßgabe des 
Aufkommens, sondern des Bedürfnisses diese Fonds 
verteilen; ich beabsichtige, alle diese Pauschale dem 
Etatsrecht des Reichstags zu unterstellen. Eine 
zweckmäßige Anderung des ostafrikanischen Etats 
wird in der Einführung solcher Pauschalfonds 
liegen. 
Ich bin dagegen, daß die vielen Abrech- 
nungen für Reisen usw. durch den Rechnungshof 
geprüft werden müssen. Das ist eine Unmöglich- 
keit. Ich kann eine Anderung aber nur ver- 
langen, wenn der Reichstag absolutes Vertrauen 
hat und hinter diese Pauschalfonds hineinsehen 
kann. Ich habe mit dem Rechnungshof des 
Deutschen Reiches verhandelt; er ist geneigt, sich 
solchen Vorschlägen anzuschließen.
	        
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