W 227 20
lionen Mark am Viltoriasee nur auf der Basis
der Negerproduktion etabliert hat.
Daraus habe ich geschlossen, daß die Aufgabe,
die uns hier zunächst obliegt, darin besteht: die
Produktion und die Konsumfähigkeit des Schwarzen
zu heben. Der Weiße sorgt, wie Sie sehen, für
sich selbst, auch wir sorgen für ihn. Aber der
Schwarze muß in seiner Konsumfähigkeit und vor
allem in seiner Sanität gehoben werden. Das
liegt ebenso im Interesse der Plantagen. Je
kräftiger der Arbeiter ist, desto mehr leistet er.
Die Gesundheitspflege liegt sehr im argen.
Es gibt sehr wenig alte Neger. Die Sterblich-
keitsziffer der Neger steht noch nicht fest, sie ist
aber zweifellos größer als die der Weißen. Wir
haben verschiedene Seuchenherde, Pest und Lepra,
alle Sorten von Magenkrankheiten, von Darm-
krankheiten; wir haben große Syphilissterblichkeit,
wir haben viele Malaria, die Schlafkrankheit.
Kurzum, die Anzahl der Krankheiten, von denen
diese Neger verfolgt werden, ist Legion.
Bis jetzt haben wir Arzte gehabt, die vorzugs-
weise im militärischen Dienste standen, den Ein-
geborenen auch viel genützt haben, aber auch sehr
schnell versetzt wurden. Zu einem organisierten
Studium ist es nicht gekommen. Diesem Mangel
soll abgeholfen werden. Ich will als Erstes hier
versuchen, ein Sanitätsamt einzurichten, welches
sämtliche mit der Negersanität zusammenhängende
Fragen studiert und alle Mittel angibt, um eine
bessere Sanität, vor allen Dingen um eine bessere
Fortpflanzung zu ermöglichen. Es ist eine sehr
merkwürdige Situation, daß im Durchschnitt auf
die Hütte in Ostafrika drei bis dreieinhalb Menschen
kommen, d. h., daß die Kinderzahl entgegen allen
anderen Beobachtungen bei diesen Negern sehr
gering ist. Dem Oberstabsarzt von Ostafrika ist
der Auftrag erteilt worden, einen Plan aus-
zuarbeiten, wonach das Land in einzelne Physikats-
bezirke geteilt werden soll. Die Mittel dafür
werden, wie ich Ihnen später erläutern werde,
aus den Kommunalfonds genommen.
Ebenso müssen wir aber auch die wirtschaft-
lichen Kräfte zusammenfassen, um eine bessere
Landeskultur einzuführen, Versuche mit besseren
Getreidearten zu machen und Wasserstellen auf-
zusuchen. Ich meine, die Wasserfrage in Ost-
afrika ist nahezu so wichtig wie die in Süd-
westafrika. Aufforstungen, Anpflanzungen von
Kulturbäumen müssen vorgenommen werden. Die
Vertilgung der Viehkrankheiten, die Einführung
besserer Sorten Vieh — alle diese Dinge muß
ein Landeskulturamt in die Hand nehmen.
Die Mittel sollen auch dafür aus den Kom-
munalfonds fließen.
Ich komme hiermit auf die von dem Herrn
Abg. Dr. Semler bereits gemachte Mitteilung zu-
rück, daß die Absicht besteht, im nächstjährigen
Etatsentwurfe nicht mehr, wie es jetzt geschieht,
50 v. H. der Erträgnisse der Häuser= und Hütten-
steuer und 30 v. H. der Gewerbesteuer für die
Kommunalkassen auszuscheiden. Die beiden Steuern
sollen vielmehr ganz vereinnahmt werden. Dafür
sollen in Form von Pauschalen in jedem der
einzelnen Bezirke — ich will die Kommunen
möglichst aufheben — solche Summen eingesetzt
werden. Dagegen müssen Daressalam und Tanga
eine städtische Verfassung haben.
Damit komme ich auf die Verwaltung des
Schutzgebietes und habe darüber sehr aus-
führlich zu sprechen.
Die Kommunen, die im Jahre 1901 gebildet
worden sind, sind nur dem Namen nach Kom-
munen und wenn Sie sehen, wer diese Bezirks-
räte sind, die bei der Aufstellung des Etats mit-
wirken, so kommen Sie zu sehr merkwürdigen
Sachen. Da ist z. B. der Bezirk Rufiji. Dort
ist ein Landwirt und sind zwei staatliche Förster
die Bezirksräte, drei Unteroffzziere sind Stell-
vertreter. So ist es an vielen Stellen. Die
Mittel aber, die diesen eigentlich nicht existieren-
den Kommunen zugeführt werden, sind ganz ge-
waltig. Sie würden in diesem Jahre 750000 Mk.
aus Hüttensteuer und 90 000 Mk. aus Gewerbe-
steuer sein. Das schien mir schon viel zu viel.
Ich habe ihnen deshalb 250 000 Mk. für die
Landespolizei abgenommen.
Wenn man die Wirtschaftspläne ansieht, so
findet man, daß nicht sehr wirtschaftlich gearbeitet
wird. (Diese Pläne sind im amtlichen Anzeiger
von Ostafrika vom 15. Juni 1907 abgedruckt.)
Das könnte man abändern. Aber der organische
Grundfehler ist, daß die reichen Bezirke, die viel
aufbringen, die Hälfte gar nicht zweckmäßig ver-
wenden können und daß sie deshalb thesaurieren,
während andere Bezirke, die das Geld außer-
ordentlich brauchen, überhaupt nichts bekommen.
Deshalb will ich diese Einrichtung aufheben und
an deren Stelle Pauschale setzen. Der Etat soll
wie bisher durch die Bezirksräte aufgestellt werden;
der Gouverneur soll nicht nach Maßgabe des
Aufkommens, sondern des Bedürfnisses diese Fonds
verteilen; ich beabsichtige, alle diese Pauschale dem
Etatsrecht des Reichstags zu unterstellen. Eine
zweckmäßige Anderung des ostafrikanischen Etats
wird in der Einführung solcher Pauschalfonds
liegen.
Ich bin dagegen, daß die vielen Abrech-
nungen für Reisen usw. durch den Rechnungshof
geprüft werden müssen. Das ist eine Unmöglich-
keit. Ich kann eine Anderung aber nur ver-
langen, wenn der Reichstag absolutes Vertrauen
hat und hinter diese Pauschalfonds hineinsehen
kann. Ich habe mit dem Rechnungshof des
Deutschen Reiches verhandelt; er ist geneigt, sich
solchen Vorschlägen anzuschließen.