Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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das Besondere der Rasse, die geistige Betätigungs- 
möglichkeit ihrer Schüler achten; daß diese geistige 
Betätigung sich auf Gegenstände erstrecke, die 
ihrer Weltanschauung nicht fremd sind; daß sich 
jedoch die europäischen Erzieher bemühen, die 
abendländische Wissenschaft und ihre Verwendungen 
bekannt zu machen. 
Was besonders die geistige Erziehung betrifft, 
so hat die „Laienmission“ gleichfalls eine Reihe 
von Thesen herausgegeben. Ferner hat der 
Kolonialkongreß in Marseille neulich die folgenden 
Forderungen erhoben: 
1. daß die Unterweisung der Eingeborenen ge- 
fördert werde in ihrer eigenen Sprache, in 
der französischen Sprache, den Bedürfnissen 
der Völkerschaften, der Verwaltung und der 
Kolonisation gemäß; 
daß der landwirtschaftliche und ärztliche 
Berufsunterricht unter den jeder Kolonie 
eigenen Bedingungen gleichfalls gefördert 
werde; 
3. daß die Kenntnis der Eingeborenensprachen 
tatsächlich von den Beamten und obrigkeit- 
lichen Personen verlangt werde; 
4. daß den fähigen Leuten Erleichterungen 
gewährt werden, um auf den Universitäten 
des Mutterlandes den höheren Unterricht 
zu genießen. 
Was besonders Indo-China betrifft: 
daß den Gemeinden Erleichterungen bewilligt 
werden zur Verbesserung und zum Unterhalt der 
Dorsschulen; 
daß die Schulen der Hauptorte der Pro 
vinzen derart eingerichtet werden, um den Unter- 
richt des Französischen und den praktischen Berufs- 
unterricht dort gewähren zu können, wo der 
letztere einer Entwicklung der örtlichen Gewerbe- 
tätigkeit günstig sein würde; 
daß in Saigon eine gehobene Volksschule 
geschaffen werde. 
Aus der Gesamtheit der Meinungen geht 
hervor, daß dieser Eingeborenenunterricht teils 
in der eigenen, teils in französischer Sprache ge- 
geben werden soll. 
Der Eingeborenenunterricht wird eingeborenen 
Lehrern anzuvertrauen sein. 
Eingebornenpersonal. Die Schulen, wo 
der Ortsunterricht erteilt wird, müssen in allen 
unseren Besitzungen ohne jede Ausnahme erhalten 
oder wieder hergestellt werden. Die Bildung 
des Eingeborenenpersonals muß der Gegenstand 
einer beständigen Sorge sein. 
In Westafrika, in Saint-Louis, lehrt die ehe- 
malige „Schule der Geiseln“, später „Schule der 
Häuptlingssöhne“ und jetzt „Normalschule“ ge- 
nannt, den Söhnen der früheren Provinzvorsteher 
allgemeine und praktische Kenntnisse, welche sie 
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nach dem Verlassen der Schule ihren Stammes- 
genossen beibringen sollen. 
In Madagaskar wird das eingeborene Per- 
sonal der Elementarschulen unter den Schülern 
der amtlichen Normalkurse ausgewählt. Sie 
werden auf den Vorschlag des Vorstandes des 
Unterrichtsdienstes vom Generalgouverneur er- 
nannt. Das Fähigkeitszeugnis, das sie besitzen 
müssen, wird ihnen nach einer Prüfung aus- 
gestellt, die sich auf die madagassische und die 
französische Sprache, Rechnen, Geschichte und Erd- 
kunde, eine Unterrichtsstunde über einen Stoff 
des Lehrplanes und auf die Ausführung einer 
Handarbeit erstreckt. 
Die Besoldung schwankt zwischen 30 bis 
40 Franken. Den Angestellten wird ein aus- 
gedehntes Gebiet mit Reispflanzung überlassen, 
das als Versuchsfeld für den landwirtschaftlichen 
Unterricht dient, den sie ihren Schülern geben 
müssen. 
Über diesen Lehrern und aus ihnen durch 
Wettbewerb hervorgehend, befinden sich ein- 
geborene Inspektoren. Das europäische Personal 
ergänzt sich aus der Jules Ferry-Schule, die mit 
viel Hingebung und Umsicht die Anwärter für 
die kolonialen Stellen heranbildet. 
In Indo-China hat jede Kolonie ihre be- 
sondere Einrichtung. Die Art der Ergänzung 
des eingeborenen Personals ist fast überall die 
gleiche. Bedingung ist der Besitz des Zeugnisses 
über die Beendigung des Eingeborenen-Er- 
gänzungsunterrichts. Die Prüfung, nach der es 
bewilligt wird, erstreckt sich ungefähr auf dieselben 
Gegenstände, die von den Anwärtern in Mada- 
gaskar verlangt werden. 
Europäisches Personal. Vollkommen un- 
wissende und oft träge Gehirne zu schulen, ihnen 
den Sinn für Arbeit und Pflicht beizubringen, 
sie zu einer dauernden Anstrengung zu zwingen, 
die in den Augen des Eingeborenen ihr nutz- 
bringendes Ergebnis und ihren materiellen Lohn 
nicht unmittelbar in sich trägt, das sind schwierige 
und mühsame Aufgaben, für die eine lange und 
verständige Vorbereitung nötig ist. 
Die Heranbildung guter kolonialer Lehrer hat 
die französische Laienmission, die Gründerin 
der bereits erwähnten Jules Ferry-Schule, unter- 
nommen und schon mit Erfolg ausgeführt. Die 
Anhänger dieser erst 1902 begründeten Laien- 
mission zählen schon nach Tausenden. Sie hat 
die amtlichen Gesuche um Gestellung von heran- 
vevildetem Personal für die Schulen in Senegal, 
Guinea und Dahome heute schon erfüllt. Sie 
ist es auch, die auf das Gesuch der Regierung 
das französische Lyzeum in Saloniki errichtet hat. 
Sie macht aus ihren Schülern sittliche und geistige 
Erzieher des Eingeborenen; sie bezeichnet ihnen
	        
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