Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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aber weit über dessen Rand hinausgetragen worden. 
Besonders bei den Nachtausbrüchen, schreibt Kirsch- 
stein, hätten die in großer Menge niederfallenden 
Auswürflinge einen grandiosen Anblick geboten: 
der reine Goldflitterregen! 
Während der ganzen Zeit seines Aufenthaltes 
wurden von Kirschstein die meteorologischen Ver- 
hältnisse genau registriert, ebenso wurden ein- 
gehende Untersuchungen über das Verhalten des 
erwähnten parasitären Kraters vor, während und 
nach den Ausbrüchen angestellt. Am 5. Dezember 
gelang es Kirschstein, nach einem mißglückten 
Versuch am Tage vorher, auf die der inneren 
Kraterwand zunächstliegende Seite der Terrasse 
zu gelangen, die den Rest des ursprünglichen 
Kraterbodens darstellt. Es war ein kurzer, aber 
gefährlicher Versuch, da ein erneutes Erwachen 
der eruptiven Kräfte, verbunden mit Nebel und 
heftigem Regen, zum Rückzuge zwangen, und die 
aus dem Krater ausströmenden Gase stark atem- 
benehmend wirkten. Diese Gase rochen ebenfalls 
nur schwach nach Schwefel; Kirschstein vermutet, 
daß es zum großen Teil Kohlensäureexhalationen 
seien. Die Lava der Terrasse, der Kraterwände 
und des Kraterbodens sind zum großen Teil mit 
Auswurfmaterialien bedeckt. 
Der Böschungswinkel der inneren Kraterwand 
beträgt oberhalb der Terrasse 70 bis 75 Grad, 
während die Wände der Terrasse selber senkrecht 
zum Kraterboden abfallen. Ebenso gehen die 
Innenwände des jetzt tätigen Haupteruptions- 
schlotes senkrecht in die Tiefe. 
Endlich möchte ich noch ein weiteres allgemein. 
interessantes Ergebnis der Arbeiten Kirschsteins in 
dem Gebiete des Namlagira nicht unerwähnt 
lassen. Ihm ist nämlich gelungen, in der Um- 
gebung südlich des Namlagira eine Reihe jener 
interessanten Gebilde aufzufinden, die Professor 
Branco zuerst aus Schwaben beschrieben und 
„Vulkan = Embryonen“ genannt hat. Es sind 
schußartig gebildete Eruptionsschlote, die durch 
ein einmaliges Ausstoßen fester, flüssiger oder 
gasförmiger Produkte aus einem unterirdischen 
Herde in der äußeren Erdrinde entstanden sind. 
Alles wurde genau vermessen und kartographisch 
jestgelegt. 
Dr. Kirschstein befindet sich noch im Vulkan- 
gebiet. Seine Arbeiten werden in kurzer Zeit 
abgeschlossen sein. Es ist zu hoffen, daß diese 
erste geologisch-fachmännische Untersuchung eines 
schier unerschöpflich reichen und interessanten 
Gebietes den Fachgenossen daheim wertvolles 
neues Material und interessante Aufschlüsse zu- 
führen wird. 
  
Heiligabend 1907. 
Am 30. November rückte der größte Teil der 
Karawane zum Ostufer des Sees ab, um in drei- 
tägigem Marsche das hart am Wasser gelegene 
Dörschen Kissenyi zu erreichen. Raven, Wiese, 
Vériter und ich wollten uns am nächsten Tage 
per Boot dorthin begeben. Zu unserer Ver- 
fügung standen zwei kongolesische Stahlboote, die 
von uniformierten Gestalten mit Rudern oder 
durch lange Stangen fortbewegt wurden und be- 
quem je zwei Europäer, einige Neger und etwa 
zwanzig Lasten aufnehmen konnten. Außerdem 
hatten wir zehn Eingeborenenboote von zweifel- 
hafter Zuverlässigkeit. Von diesen Booten sieht 
man hier zwei Typen, den aus einem Stamme 
geschnittenen Einbaum und eine andere Form, 
die aus biegsamen Planken konstruiert ist. 
Die Fahrt des ersten Tages dauerte fünf 
Stunden und zog die kleine Flottille weit aus- 
einander. Mittags erreichten wir bei drückender 
Hitze unseren Lagerplatz bei dem Dorfe Katanda; 
dieses liegt in einer stillen Bucht verborgen, 
mitten auf der Wasserfläche und — schwimmt, 
denn die Hütten stehen auf Flößen, die durch 
unsichtbare Pfahlbauten gehalten werden. Der 
Boden gibt bei jedem Tritte nach. Wir fanden 
interessantes Flechtwerk. Form und Einrichtung 
der Hütten ist die in Ruanda übliche. 
Die Route des folgenden Tages führte in 
zehnstündiger Fahrt bis Kissen yi. Oberhalb 
des Dorfes, auf der Höhe eines terrassenförmig 
ansteigenden Plateaus, zeugen die Reste eines 
Standlagers von der vor einem halben Jahre 
hier beendeten Tätigkeit der kongolesisch-englischen 
geographischen Mission. Sonst ist der Aufenthalt 
hier wenig angenehm, da wir genötigt sind, 
unmittelbar am sumpfigen Ufer des Sees zu 
kampieren, wo Millionen winzig kleiner Mücken 
den Aufenthalt verleiden. 
Wir hatten hier einen weiteren Tag un- 
freiwilligen Aufenthalt, da die Landkarawane noch 
nicht eingetroffen war. Ihr war es schlecht er- 
gangen. Die zu passierenden Gegenden und 
Niederungen waren teilweise hoch überschwemmt. 
Viele Stunden lang hatte das Wasser den Leuten 
bis an Knie und Hüfte, zweimal bis an den 
Hals gereicht. Hunde und Maultiere waren ge- 
nötigt, lange Strecken schwimmend zurückzulegen 
und kamen in sehr erschöpftem Zustande an. 
Am Tage darauf wurde bei Ruisamba der 
lange, nach Nordost sich erstreckende Arm des 
Albert-Edward-Sees übersetzt und auf einem Hügel 
mit prachtvoller llbersicht über den größten Teil 
des Sees gelagert. 
Das Ostufer bis hierher bietet im ganzen 
wenig; es ist nur spärlich im Süden von Wa-
	        
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