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aber weit über dessen Rand hinausgetragen worden.
Besonders bei den Nachtausbrüchen, schreibt Kirsch-
stein, hätten die in großer Menge niederfallenden
Auswürflinge einen grandiosen Anblick geboten:
der reine Goldflitterregen!
Während der ganzen Zeit seines Aufenthaltes
wurden von Kirschstein die meteorologischen Ver-
hältnisse genau registriert, ebenso wurden ein-
gehende Untersuchungen über das Verhalten des
erwähnten parasitären Kraters vor, während und
nach den Ausbrüchen angestellt. Am 5. Dezember
gelang es Kirschstein, nach einem mißglückten
Versuch am Tage vorher, auf die der inneren
Kraterwand zunächstliegende Seite der Terrasse
zu gelangen, die den Rest des ursprünglichen
Kraterbodens darstellt. Es war ein kurzer, aber
gefährlicher Versuch, da ein erneutes Erwachen
der eruptiven Kräfte, verbunden mit Nebel und
heftigem Regen, zum Rückzuge zwangen, und die
aus dem Krater ausströmenden Gase stark atem-
benehmend wirkten. Diese Gase rochen ebenfalls
nur schwach nach Schwefel; Kirschstein vermutet,
daß es zum großen Teil Kohlensäureexhalationen
seien. Die Lava der Terrasse, der Kraterwände
und des Kraterbodens sind zum großen Teil mit
Auswurfmaterialien bedeckt.
Der Böschungswinkel der inneren Kraterwand
beträgt oberhalb der Terrasse 70 bis 75 Grad,
während die Wände der Terrasse selber senkrecht
zum Kraterboden abfallen. Ebenso gehen die
Innenwände des jetzt tätigen Haupteruptions-
schlotes senkrecht in die Tiefe.
Endlich möchte ich noch ein weiteres allgemein.
interessantes Ergebnis der Arbeiten Kirschsteins in
dem Gebiete des Namlagira nicht unerwähnt
lassen. Ihm ist nämlich gelungen, in der Um-
gebung südlich des Namlagira eine Reihe jener
interessanten Gebilde aufzufinden, die Professor
Branco zuerst aus Schwaben beschrieben und
„Vulkan = Embryonen“ genannt hat. Es sind
schußartig gebildete Eruptionsschlote, die durch
ein einmaliges Ausstoßen fester, flüssiger oder
gasförmiger Produkte aus einem unterirdischen
Herde in der äußeren Erdrinde entstanden sind.
Alles wurde genau vermessen und kartographisch
jestgelegt.
Dr. Kirschstein befindet sich noch im Vulkan-
gebiet. Seine Arbeiten werden in kurzer Zeit
abgeschlossen sein. Es ist zu hoffen, daß diese
erste geologisch-fachmännische Untersuchung eines
schier unerschöpflich reichen und interessanten
Gebietes den Fachgenossen daheim wertvolles
neues Material und interessante Aufschlüsse zu-
führen wird.
Heiligabend 1907.
Am 30. November rückte der größte Teil der
Karawane zum Ostufer des Sees ab, um in drei-
tägigem Marsche das hart am Wasser gelegene
Dörschen Kissenyi zu erreichen. Raven, Wiese,
Vériter und ich wollten uns am nächsten Tage
per Boot dorthin begeben. Zu unserer Ver-
fügung standen zwei kongolesische Stahlboote, die
von uniformierten Gestalten mit Rudern oder
durch lange Stangen fortbewegt wurden und be-
quem je zwei Europäer, einige Neger und etwa
zwanzig Lasten aufnehmen konnten. Außerdem
hatten wir zehn Eingeborenenboote von zweifel-
hafter Zuverlässigkeit. Von diesen Booten sieht
man hier zwei Typen, den aus einem Stamme
geschnittenen Einbaum und eine andere Form,
die aus biegsamen Planken konstruiert ist.
Die Fahrt des ersten Tages dauerte fünf
Stunden und zog die kleine Flottille weit aus-
einander. Mittags erreichten wir bei drückender
Hitze unseren Lagerplatz bei dem Dorfe Katanda;
dieses liegt in einer stillen Bucht verborgen,
mitten auf der Wasserfläche und — schwimmt,
denn die Hütten stehen auf Flößen, die durch
unsichtbare Pfahlbauten gehalten werden. Der
Boden gibt bei jedem Tritte nach. Wir fanden
interessantes Flechtwerk. Form und Einrichtung
der Hütten ist die in Ruanda übliche.
Die Route des folgenden Tages führte in
zehnstündiger Fahrt bis Kissen yi. Oberhalb
des Dorfes, auf der Höhe eines terrassenförmig
ansteigenden Plateaus, zeugen die Reste eines
Standlagers von der vor einem halben Jahre
hier beendeten Tätigkeit der kongolesisch-englischen
geographischen Mission. Sonst ist der Aufenthalt
hier wenig angenehm, da wir genötigt sind,
unmittelbar am sumpfigen Ufer des Sees zu
kampieren, wo Millionen winzig kleiner Mücken
den Aufenthalt verleiden.
Wir hatten hier einen weiteren Tag un-
freiwilligen Aufenthalt, da die Landkarawane noch
nicht eingetroffen war. Ihr war es schlecht er-
gangen. Die zu passierenden Gegenden und
Niederungen waren teilweise hoch überschwemmt.
Viele Stunden lang hatte das Wasser den Leuten
bis an Knie und Hüfte, zweimal bis an den
Hals gereicht. Hunde und Maultiere waren ge-
nötigt, lange Strecken schwimmend zurückzulegen
und kamen in sehr erschöpftem Zustande an.
Am Tage darauf wurde bei Ruisamba der
lange, nach Nordost sich erstreckende Arm des
Albert-Edward-Sees übersetzt und auf einem Hügel
mit prachtvoller llbersicht über den größten Teil
des Sees gelagert.
Das Ostufer bis hierher bietet im ganzen
wenig; es ist nur spärlich im Süden von Wa-