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4. Vorbereitung der finanziellen Selbständigkeit
der Kolonien durch erhöhte Steuerkraft und
durch erhöhte Zolleinnahmen auf Grund
einer vermehrten Produktions= und Konsum-
fähigkeit.
Ein Vergleich des Eisenbahntransportes
gegenüber dem Karawanentransport führt zu
dem folgenden Ergebnis:
Ein Güterzug mit 30 Wagen = 3000 dz
Last bei 30 km Fahrgeschwindigkeit ersetzt 10 000
Karawanenträger zu 30 kg Last bei durchschnitt-
licher Marschzeit von 3 km pro Stunde. Der
Eisenbahntransport stellt sich gegenüber dem Kara-
wanentransport um das Zwanzigfache billiger und
erspart das Zehnfache an Zeit.
Ein erfolgreicher Wettbewerb von Stapel-
artikeln, wie Baumwolle, Olfrüchten, Hölzern,
Mineralien usw., auf dem Weltmarkt ist bei dem
Transport auf den Köpfen der Eingeborenen so
gut wie ausgeschlossen. Ein Transport durch Tiere
ist wegen der herrschenden Viehseuchen, die noch
ihrer Bekämpfung harren, vielfach nicht angängig.
Tatsache ist, daß die meisten afrikanischen
Eisenbahnen nach kurzer Frist ihre eigenen Be-
triebsausgaben einschließlich der Unterhaltungs-
kosten zu decken vermochten, und daß eine größere
Anzahl von vornherein eine Rente erzielte.
Die Rückständigkeit des Eisenbahnbaues in
den deutschen Kolonien wird heute von allen
politischen und wirtschaftlichen Richtungen an-
erkannt. Während die Produktionsfähigkeit und
Verbrauchsfähigkeit der deutschen Kolonien gegen-
über den unter gleichen Verhältnissen arbeitenden
englischen und französischen Kolonien in keiner
Weise zurücksteht, besitzt England in Afrika
15 166 km Eisenbahnen im Betrieb oder im Bau,
Frankreich 8975 km, Deutschland nur 2061 km.
Vom rein wirtschaftlichen Standpunkt aus be-
urteilt, bieten die Vorlagen der Reichsregierung
hinsichtlich des Ausbaues der Eisenbahnen in den
afrikanischen Kolonien die folgenden Vorteile:
Verlängerung der Eisenbahn Dares-
salam —Morogoro nach Tabora: Erschließung
der reichen Landschaft Kilossa für die europäische
Plantagenwirtschaft, z. B. für Baumwolle; Er-
möglichung der Ausfuhr von Vieh aus den vieh-
reichen Ländern Ugogo, Turu usw., die wegen
der zahlreichen Viehkrankheiten jetzt nahezu aus-
geschlossen ist; Versorgung der europäischen
Plantagen an der Küste mit Arbeitskräften aus
der dicht bevölkerten Landschaft Uniamwesi;
Steigerung der Produktion dieses Landes durch
Volkskulturen, wie Baumwolle, Erdnüsse, Reis.
Verlängerung der Usambara-Eisen-
bahn am Paregebirge entlang zum Kili-
mandjaro und Meru: Erschließung weiter Ge-
biete für die europäische Plantagenwirtschaft, Kaut-
schuk, Sisalhanf, Baumwolle; Ermäöglichung der
Ausbeutung der reichen Holzbestände von West-
Usambara; Schaffung einer Absatzmöglichkeit der
Erzeugnisse des Ackerbaues und der Viehzucht für
die Ansiedler in den gesunden Siedlungsgebieten
des Kilimandjaro und Mern.
Eisenbahn Lome—Atakpame: Erschließung
eines weiteren Teiles des Olpalmengürtels und
der Baumwollgebiete der Atakpame-, Pessi= und
Sokodé--Bassari-Bezirke, sowie weiterer Teile von
Mittel= und Südtogo für den Anbau von Mais
und Erdnüssen; Ermöglichung des Transportes
von Rindvieh aus den viehzüchtenden Atakpame-
und nördlicheren Bezirken durch die tsetsever-
seuchten Gegenden Südtogos nach der Küste.
Eisenbahn von Duala über Edea nach
Widimenge am Nyongfluß: Erschließung der
fruchtbaren und volkreichen Bakoko= und Jaunde-
Gebiete und des weiteren Hinterlandes für den
Anbau von Mais und Erdnüssen, und Er-
möglichung der Ausbeutung der in diesen Ge-
bieten waldartig vorkommenden ÖOlpalmenbe-
stände; Ausnutzung der in den dortigen Urwäldern
zahlreichen Edel= und Bauhölzer; Ermäöglichung
der Zufuhr von Pferden, Rind= und Kleinvieh
aus Adamaua und den Tschadseeländern, deren
Transport durch den Urwaldgürtel jetzt wegen
der Tsetsegefahr ausgeschlossen ist; Versorgung der
Plantagen an der Küste mit Arbeitern aus den
Bakoko= und den mit diesen verwandten Babimbi-
Stämmen; Wirtschaftliche Ausnutzung der schiff-
baren Ströme Nyong und Dume.
Zweiglinie der Lüderitzbuchtbahn von
Seeheim nach Kalkfontein: Erschließung weiter
Gebiete für die Zucht von Wollschafen und Angora-
ziegen.
Die Zustimmung des Reichstages zu den neuen
Bahnlinien würde demgemäß einen wesentlichen
Fortschritt in der wirtschaftlichen Erschließung-der
Kolonien bedeuten. Nach dem Ermessen des
Komitees ist eine rationelle Eisenbahnpolitik das
sicherste Mittel, unsere Kolonien finanziell selb-
ständig zu machen und sie zu nutzbringenden
Gliedern der heimischen Volkswirtschaft zu ent-
wickeln.“
Der Bergbau in der Oranjefluß-Holonlie.
Mit der Oranjefluß-Kolonie ist lange die Vor-
stellung eines nahezu ausschließlich Viehzucht und
Ackerbau treibenden Landes verbunden gewesen.
Der kürzlich erschienene vierte Jahresbericht der
Bergbuubehörde der Kolonie beweist indessen, daß
der Bergbau, und zwar insbesondere die Diamanten-
und Kohlengewinnung, in der Kolonie in den
letzten Jahren einen ganz beträchtlichen Aufschwung