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in seiner Nähe — wegen starken Dunstes nur
dreimal vergönnt gewesen war.
Der Marsch führte in kleineren Etappen über
wellenförmiges Terrain durch verbrannte Matete
(Elefantengras) und später durch ausgedehnte
Bananenpflanzungen, die viele Elefanten beher-
bergten, bis an den Fuß des gewaltigen Gebirgs-
stockes, wo der Weg sich im enorm hohen Ma-
tetegras verlor, so daß er erst durch Askaris
ausgeschlagen und für die nachfolgenden Lasten
passierbar gemacht werden mußte.
Die spärlich vertretene Bevölkerung zeigt hier
noch große Scheu vor dem Europäer; wir be-
kamen keinen Führer, alle Hütten standen ver-
lassen. Endlich gelang es uns, einen Mann, der
sich durch unser plötzliches Erscheinen hatte über-
raschen lassen, als Führer zu dingen, nachdem
wir ihn durch gütliches Zureden und kleine Ge-
schenke von unseren friedlichen Absichten überzeugt
hatten. Ein steiler, kurzer Anstieg, wiederum
durch das hohe Gras, brachte uns auf 1500 m
Höhe, wo an einer Quelle gelagert wurde.
Da es die Aufgabe der beiden Herren Doktoren
(Schubotz und Mildbread) war, den Westhang des
Ruwensori in möglichst hohe Regionen hinauf
floristisch und faunistisch zu untersuchen bzw. zu
den Stuhlmannschen Sammlungen Ergänzungs-
material zu schaffen, so richteten sie weirer ober-
halb ein Standlager ein. Leutnant v. Wiese,
Vériter und ich zogen weiter nordwärts, um
Fühlung mit der kongolesisch-englischen Grenz-
kommission zu bekommen, die zwecks Festlegung
des 30. Meridians in Kiagodé, zwei Stunden
nordwestlich von Mboga und am Semliki in
Standlagern arbeitete.
Der Weg führt hart am Fuße des Ruwensori
entlang und war unglaublich schlecht. Die ersten
Tage war er ständig durch 5 bis 7 m hohes Ma-
tetegras überwuchert, das keinen Lufthauch durch-
ließ, so daß eine entsetzliche Temperatur in diesen
„Mauern“ herrschte, durch welche wiederum Schritt
vor Schritt mit den langen Buschmessern der Pfad
geschlagen werden mußte.
Am dritten Tage wurde wieder die Waldzone
berührt, die uns auch fernerhin bis hinter den
Semliki nicht mehr verließ. Es war ein rechter
Unglückstag. Nachdem wir zunächst einen außer-
ordentlich steilen Anstieg — wie sich bald heraus-
stellte, gänzlich unnötigerweise — mit größter
Anstrengung hinaufgekrochen waren, hatte ich beim
Abstieg das Unglück, daß meine rechte Hand von
einem Ubereifrigen für eine Liane angesehen wurde.
Er ließ darauf einen wohlgezielten Axthieb her-
untersausen, so daß ich mit dem Arm in der
Binde für die nächsten vierzehn Tage zu völliger
Tatenlosigkeit verurteilt wurde. Leutnant Vériter
stürzte gleich darauf in eine überdeckte Elefanten-
grube und verletzte sich an der Schulter, worauf
die mit Mühe angeworbenen Führer (schuldbewußt
ob verbotener Fallenanlage) auf Nimmerwieder-
sehen im Busch verschwanden. So suchten wir
uns aufs Geratewohl einen Weg — den richtigen
hatten wir verlassen und noch nicht wiedergefunden
— bis zu einem in der Nähe herabstürzenden
Wicdbocl. an dessen kühlendem Wasser im Schatten
der Urwaldbäume ein hübscher Platz für die Zelte
geschlagen wurde. Patrouillen fanden dann den
richtigen Pfad.
Ein Nachtmarsch bei schönstem Vollmondschein
brachte uns dann endlich am siebenten Tage nach
Spenge am Semliki, der hier in schöner
Waldszenerie in ansehnlicher Breite und Schnellig-
keit vorübergleitet. Der Semliki ist auch hier
sehr fischreich.
Die Temperaturen fingen an, drückend zu
werden und steigerten sich hier auf 55 Grad
Celsius, während sie des Abends selten unter
28 Grad Celsius fielen. Die ständig erwartete
große Regenzeit setzte noch immer nicht ein. Mit
Ausnahme eines starken Regenkäges am Ruwen-
sori konnten nur einige ganz unbedeutende kleine
Schauer registriert werden.
Am 19. Februar wurde Mboga erreicht.
Dieser Platz liegt im neutralen Gebiet und an
der großen Route Irumu— Fort Portal—Entebbe;
er ist somit für Elfenbein= und Kautschukhandel
(erlaubten und unerlaubten) wie geschaffen. Eine
Anzahl Inder verkaufen in geräumigen Läden
allerhand Gegenstände, die bei der Nähe der
beiden Grenzkommissionslager auch lebhaft umge-
setzt werden, aber in Wahrheit nur Aushänge-
schilder für den Handel mit der erwähnten loh-
nenderen Ware find, der denn auch ganz offen
und mit bedeutenden Einkünften betrieben wird.
Zwei Stunden nordwestlich liegt, wie erwähnt,
das belgische Hauptlager der Kommission auf dem
Berge Kiagodé, bei der Residenz des jungen
Sultans Tabaru, der uns eine Strecke Weges
mit seinem Gefolge entgegenkam. Nach einem
erquickenden Ritt durch den taufrischen Morgen
konnten wir im hübsch aus Matete-Häusern und
ebensolchen Banda errichteten Lager den liebens-
würdigen belgischen Offizieren die Hände schütteln.
Der Kommandant Bastien, den eine Dienstreise
zu seinen englischen Kollegen an den Semliki ge-
führt hatte, traf ebenfalls bald darauf ein.
Die Arbeiten der Kommission, die endgültige
Festlegung des 30. Längengrades als Grenze
zwischen dem kongolesischen und englischen Gebiet,
sind in der Hauptsache nunmehr beendet, so daß
die Herren Ende März ihrer Abberufung ent-
gegensehen, während die genaue Ausmessung einem
auf dem Wege hierher befindlichen Astronomen
übertragen worden ist.