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ihnen die Löhne für Arbeitsleistungen, für Elfen-
bein usw. in Tauschartikeln auszahlt. Die
Stren und Häuser Léopoldvilles sind durchweg
fauber und hübsch. Kokospalmen-Alleen und
Gartenanlagen heben noch den Gesamteindruck.
Einen bevorzugten Platz auf einem die Stadt
überragenden Hügel hat das von erfahrenen
Tropenärzten geleitete Hospital. Die Schlaf-
krankheit steht auch hier im Mittelpunkt des
Interesses. Bis vor nicht allzu langer Zeit
waren Fälle von Trypanosomiasis bei Weißen
noch so gut wie unbekannt. Leider häufen sie
sich neuerdings mehr und mehr; der leitende
Arzt in Léopoldville erzählte uns, daß jetzt
kaum ein Monat vergeht, ohne daß ein mit
Schlafkrankheit behafteter Europäer den Kongo
abwärts kommt.
Für die Fahrt von Léopoldville nach Matadi
hatte uns die Regierung in dankenswerter Weise
einen aus drei Wagen bestehenden Extrazug zur
Verfügung gestellt, der Léopoldville am 25. früh
verließ. Die Bahn hat 80 cm Spurweite. Die
Wagen sind teils offen, teils geschlossen. Letztere,
für europäische Reisende bestimmt, enthalten 12
durch kleine Klapptische getrennte drehbare Lehn-
sessel. Zu den Freuden dieses Lebens gehört
die Fahrt in einem solchen Wagen nicht. Offnet
man die Fenster auch nur handbreit, so benimmt
einem der überaus reichliche Qualm und Staub
den Atem; schließt man sie, so fühlt man sich
bald wie in einem türkischen Baderaum. So
war unser anfängliches Entzücken, wieder in
einer wirklichen Eisenbahn zu sitzen, schnell ver-
flogen. Auch landschaftlich hielt die Reise nicht,
was wir nach den Schilderungen kongolesischer
Beamten, die etwas Alpenbahnähnliches vermuten
ließen, erwartet hatten. In der ziemlich reiz-
losen Landschaft wechselten Kulturländereien,
Elefantengrassteppe und kleinere Waldgebiete ab.
Alles das aber, was die Fahrt auf der Uganda-
bahn so interessant macht — unübersehbar weite,
wildbedeckte Ebenen, Schluchten und üppige Berg-
wälder — ließ dieser erste Teil der Reise völlig
vermissen. Nach neunstündiger Fahrt kamen wir
in Thysville an, das die 480 km lange
Strecke Matadi—Léopoldville in annähernd zwei
Hälften teilt. Hier pflegt man in einem den
Umständen nach ganz ausgezeichneten Hotel, das
der Bahngesellschaft gehört, zu übernachten. Die
Station liegt 740 m über dem Meere und nahezu
500 m höher als Lsopoldville, was sich in sehr
angenehmer Weise durch die Frische der Tem-
peratur bemerkbar macht. Deshalb wird fie von
Erholungsbedürftigen aus Léopoldville und Ma-
tadi gern besucht. Landschaftliche Schönheiten
besitzt Thysville nicht, wenigstens soweit man von
der Veranda des auf einer Anhöhe gelegenen
Hotels aus sehen kann. Am nächsten Morgen
saßen wir bereits wieder in unserem Extrazug.
Die Szenerie unterschied sich zunächst wenig von
der des vorigen Tages. Vielleicht war die
Steigung anfangs etwas höher, dafür ging es
gegen Ende um so steiler bergab. Wirklich
interessant wurde die Fahrt erst in ihren letzten
Stunden. Bewundernswert ist die Anlage und
Ausführung der Strecke. Mit augenfälligem Ge-
schick wußte der Ingenieur durch zahlreiche
Serpentinen besonders große Höhenunnterschiede
auszugleichen; der Bahndamm selber ist überall
in musterhafter Ordnung. Tunnelanlagen waren
nicht nötig und auch größere Brückenbauten sind
auf der Strecke selten. Trotzdem waren natürlich
Schwierigkeiten genug zu überwinden. Der Dienst
in den Zügen einschließlich der Führung der
Lokomotive und der Beaufsichtigung und Repara-
tur der Strecke liegt nur in den Händen von
Negern; diese benehmen sich dabei, als hätten
sie seit Generationen nichts anderes getan. Kurz
vor Matadi senkt sich die Bahn in ziemlich
starkem Gefälle zum Kongo hinab. Mehrere
reißende Gebirgsbäche und tiefe Schluchten werden
überschritten. An steilen Abhängen ging es in
langen Windungen entlang. Drei, vier Serpen-
tinen folgten manchmal ganz dicht aufeinander
und nun hatte man wirklich den Eindruck einer
kühn angelegten Gebirgsbahn.
An der letzten Station vor Matadi überbrückt
der Schienenstrang noch einmal einen tief unten
rauschenden bedeutenden Zufluß des Kongo, den
Mposo, und gleich darauf wird der Kongo selbst,
den wir bei Léopoldville verließen, wieder sicht-
bar. Von hohen Bergen umrahmt, rauscht er
in mächtiger Breite dem Meere entgegen. Eine
halbe Stunde noch, während der die Bahn am
linken Ufer des Kongo allmählich absteigt, und
der Zug fährt auf dem Bahnhof von Matadi
ein. Eine ganze Anzahl Europäer warten auf
dem Bahnsteig, zum Teil auf uns, zum Teil auf
den bald nach uns eintreffenden fahrplanmäßigen
Zug. Bizekonfsul Schmidt, Inhaber des deut-
schen Hauses Walter Karl, und der Kommandant
von Matadi empfangen uns und weisen uns
unsere Quartiere an. Auf dem Wege dorthin
genießen wir einen hübschen Blick über Stadt
und Hafen. Matadi ist als des Kongostaates
eigentlicher Hafenplatz, bis zu dem auch Ozean-
dampfer den Strom befahren können, von großer
Bedeutung. Zahlreiche Regierungs= und Privat-
gebäude ziehen sich vom Hafen ziemlich hoch auf
die Berge des linken Ufers hinauf. Alles ist
aus Eisen und Wellblech gebaut und darum
nicht so freundlich, wie wir es auf den Stationen
des oberen Kongo zu finden gewohnt waren.
Die Stadt ist übel beleumundet wegen ihrer