Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

W 9 320 
schwerer Verluste gelang es den auf dem linken 
Flügel vorgehenden Mannschaften des 101. Grena- 
dier-Regiments, in die Stadt einzudringen und 
den Feind mit dem Bajonett anzugreifen, wäh- 
rend auf dem rechten Flügel die Mannschaften 
des Nordlancashire-Regiments und die Kashmir- 
Rifles (Inder) die Stadt erreichten. Dort sahen 
sie sich jedoch einem derart heftigen Feuer aus 
den Häusern ausgesetzt, daß sie gezwungen waren, 
500 YNards zurückzugehen. Die Stellung der 
Deutschen war so stark, und die Verluste 
der englischen Truppen waren so schwer, 
daß es für zwecklos erachtet wurde, den 
Angriff zu erneuern. Die Abteilung wurde 
daher wieder eingeschifft und kehrte zum 
Ausgangspunkt zurück. Der Gesamtverlust 
betrug 795 Mann, darunter 141 euro- 
pädische Offiziere und Mannschaften. 
Danach haben also die Engländer bei 
diesem Versuch, in deutsches Gebiet ein- 
zudringen, eine schwere Niederlage er- 
litten. Das spricht sich auch in den Erklärungen 
aus, die Lord Crewe im englischen Unterhause 
am 18. November abgegeben hat, desgleichen in 
dem betreffenden Artikel der „Times“ vom 
24. November. 
Wir möchten noch auf Folgendes hinweisen. 
Die Kopfzahl von 795 Mann stellt die Hälfte 
von 1 ½ Bataillonen dar. Selbst wenn man die 
nach dem ersten Gefecht am 2. November heran- 
gezogenen Verstärkungen, über deren Zahl keine 
Angaben gemacht werden, berücksichtigt, bleiben 
die Verluste schwer. Sie erhöhen sich über die 
angegebene Anzahl hinaus wahrscheinlich noch um 
die Zahl derjenigen Leute, die mehr oder weniger 
verwundet sich dem Rückzug ihrer Truppe anzu- 
schließen vermochten. 
lliber eine Verfolgung durch die deutschen 
Streitkräfte und über ihre Stärke und Zusammen- 
setzung sagen die englischen Berichte nichts. An- 
zunehmen ist, daß unserseits außer Abteilungen 
der aus Eingeborenen bestehenden Schutz= und 
Polizeitruppe auch aus wehrpflichtigen Euro- 
päern gebildete Streitkräfte zur Stelle waren. 
Zieht man die Gesamtstärke der verfügbaren 
Snreitkräfte und ihre Verteilung über das ganze 
Schutzgebiet in Betracht, so können an der mut- 
maßlichen Stelle des Kampfes höchstens 800 Ge- 
wehre in Tätigkeit gewesen sein. Auch wir werden 
selbstvorständlich Verluste zu beklagen haben, über 
die wir aber vorläufig nichts erfahren konnten. 
lber den Ort des Ausgangs des englischen 
Unternehmens, den Ort der Landung auf deut- 
schem Gebiet und den Namen der deutschen Eisen- 
bahnstation schweigt sich der englische Bericht aus. 
Anicheinend handelt es sich um die an der Küste 
  
liegende Stadt Tanga, den Ausgangspunkt der 
Usambarabahn. 
Am gleichen Tage, an dem das vorgeschilderte 
Gefecht stattfand, kam es nach den „Times“ vom 
27. November zu einem kleinen Scharmützel bei 
Msima am Tsavo-Fluß, über dessen Verlauf 
und Ausgang jedoch nichts mitgeteilt wird. 
Größere Bedeutung wird dem Zusammenstoß 
am Berge Longido beigelegt, wo am 3. (oder 
4.) November ein zweiter, anscheinend ebenfalls 
heftiger Kampf zwischen einer deutschen und einer 
indischen Truppenabteilung stattfand. (Über das 
erste Gefecht am Longido s. o. Tel. Nr. 8 u. 9.) 
Der englische Bericht vom 26. November sagt 
hierüber folgendes: 
Nach verschiedenen Gefechten geringeren Um- 
fangs in Ostafrika, die keine Anderung von Be- 
deutung brachten, und in denen es den Deutschen 
nicht gelang, auf englischem Gebiet Fuß zu fassen, 
besetzten wir den „bedeutenden“ Platz Longido 
auf deutschem Gebiet. Der Angriff fand am 
3. November statt und dauerte den ganzen Tag. 
Die indischen Truppen nahmen drei Stellungen, 
mußten diese aber am Abend wegen Wasser- 
mangels wieder aufgeben und zogen sich auf ihre 
Operationsbasis zurück. Einige Tage später 
räumten die Deutschen Longido, das dann von 
den indischen Truppen besetzt wurde. 
Der Bericht gibt die Verluste auf englischer 
Seite mit 21, auf deutscher mit 38 Europäern 
und 84 farbigen Mannschaften an. 
Einen weiteren Bericht über dieses Gefecht 
brachten die „Times“ vom 27. November. Danach 
begann der Kampf am 4. November bei Tages- 
anbruch und dauerte bis abends 7½ Uhr. Die 
deutschen Stellungen seien sehr hartnäckig ge- 
halten, aber von den englisch--indischen Truppen 
mit größter Bravour genommen worden. Auch 
der deutsche Gegenangriff sei zurückgeschlagen 
worden. Die Engländer hätten an Europäern 
10 Tote, 9 Verwundete und 1 Vermißten zu 
verzeichnen gehabt; über ihre Verluste an Far- 
bigen wird hier nichts berichtet. 
Man darf von vornherein annehmen, daß 
sich das Gefecht wohl kaum so abgespielt hat, 
wie es in den englischen Berichten dargestellt 
wird. Auscheinend ist es den indischen Truppen 
nicht gelungen, die Stellung der deutschen Ab- 
teilung zu nehmen. Sie besetzten sie erst, nach- 
dem letztere den Platz aus irgendeinem Grunde 
einige Tage später geräumt hatte. Wahrscheinlich 
dann, als die Engländer stärkere Kräfte heran- 
gezogen hatten. Wassermangel kann nicht der 
Grund zum Aufsgeben der angeblich genommenen 
Stellung gewesen sein, in der sich der Gegner 
noch einige Tage hielt, und die er dann freiwillig 
35
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.