Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

GW 199 ic#. 
Kriegswirnungen in Kamerun. 
Die Kämpfe in Kamerun zwischen den Euro- 
päern, die schmähliche Behandlung der Deutschen 
haben natürlich die wilden Leidenschaften der ein- 
geborenen Bevölkerung geweckt. Es ist geradezu 
als ein Wunder anzusehen, daß niemand von der 
Zivilbevölkerung sein Leben eingebüßt hat. Wie 
trostlos sich die Verhältnisse gestalteten, davon 
gibt der im neuesten Blatt der Deutschen Baptisten- 
mission veröffentlichte Bericht der Frau Missionar 
Keßler, die mit den Missionaren Herwig und 
Kroitzsch auf der Station Ndogongi im Innern 
weilte, einen betrübenden Eindruck. Der Artikel 
lautet im wesentlichen, wie folgt: 
Nachdem die Küstenorte von den Feinden be- 
setzt waren und der Gouverneur sich mit den 
deutschen Truppen in das Innere zurückgezogen 
hatte, glaubten die Eingeborenen, mit der 
deutschen Regierung sei es jetzt aus. Sie sagten 
sich: „Der Gouverneur ist nicht mehr da, 
und die deutschen Gesetze gelten nichts 
mehr.“" Hierin wurden sie von den Engländern 
und Franzosen bestärkt und besonders auch von 
den Dualanegern aufgewiegelt. Die Häuptlinge 
und Stämme, die noch treu zur Regierung hielten, 
wurden überfallen, ausgeplündert und zum Teil. 
auch ermordet. Aus Furcht sind dann viele der 
Eingeborenen auf die Seite der Engländer und 
Franzosen getreten. 
Nachdem die Gefangennahme und Wegführung 
aller Deutschen aus den Küstengebieten unter der 
Buschbevölkerung bekanntgeworden war, richtete 
diese auch allmählich ihre Aufmerksamkeit auf die 
Inlandmissionsstationen. So hatten auch die 
Duala wiederholt versucht, die Nachbarstämme 
um Ndogongi zu bewegen, uns einzufangen und 
nach Duala zu bringen, indem sie ihnen sagten, 
daß sie von den Engländern eine große Belohnung 
für unsere Auslieferung erhalten würden. Doch 
unsere heidnischen Nachbarn wagten nicht recht, 
uns anzugreifen, denn sie fürchteten sich vor den 
Gewehren der Weißen. Einige von ihnen gingen 
zwar nach Duala und machten die Engländer auf 
uns aufmerksam; diese kamen jedoch selbst nicht 
zu uns, der Weg schien ihnen zu beschwerlich zu 
sein. Dagegen sollen sie den Eingeborenen Ver- 
sprechungen von Geschenken gemacht haben für 
jeden Deutschen oder jeden Soldaten der Schutz- 
truppe, den sie einliefern würden. 
Anfang Dezember wurde in Lokat, vier bis 
fünf Stunden von unserer Station entfernt, ein 
Schutztruppensoldat ermordet; eine Hand 
wurde ihm abgehauen und mit seinem Ge- 
wehr zu den Engländern nach Duala ge- 
bracht. Es soll dafür eine Belohnung ansgezahlt 
  
worden sein. Bald darauf wurden Arbeiter, 
die für die deutsche Regierung goarbeitet 
hatten, jetzt aber entlassen waren, ausgeraubt, 
überfallen und ermordet. Auch ihre Hände 
wurden nach Duala gesandt. Am 23. De- 
zember kam ein schwarzer Soldat von Jabassi 
in Begleitung eines Missionsschülers aus Nyam- 
tang nach Ndogongi. Er sollte uns eine Bot- 
schaft überbringen. Am 24. Dezember morgens 
wurde er samt dem Schüler in der Nähe unserer 
Station ermordet aufgefunden. Gewehr und 
Hand wurden wieder den Engländern über- 
bracht. Wir sahen beide, Soldat und Schüler, 
verstümmelt und tot in der Nähe unserer Station 
liegen. 
Am 26. Dezember brachte uns einer unserer 
Stationsschüler die Nachricht, daß die Nachbar- 
stämme einen Beschluß gefaßt hätten, uns am 
nächsten Morgen (Sonntag) während des Gottes- 
dienstes zu überfallen und zu töten. Sie hatten 
diesen Zeitpunkt gewählt in der Annahme, daß 
wir zum Gottesdienst unsere Gewehre nicht mit- 
nehmen würden, und sie uns dann leichter über- 
wältigen könnten. Wir wachten die ganze Nacht. 
Einige Leute unserer Umgebung, die unter den 
Einfluß des Evangeliums gekommen waren, und 
der größte Teil unserer Dorfbewohner blieben bei 
uns. Wir packten die nötigsten Sachen, um, wenn 
möglich, doch noch zu entkommen. Wo aber 
sollten wir hin? Uberall waren Menschen, die 
um der ausgesetzten Belohnung willen es auf uns 
abgesehen hatten. Es blieb daher nichts anderes 
übrig, als den Morgen abzuwarten, aber es waren 
lange, bange Stunden. Um 4½ Uhr morgens 
sahen wir Leute mit Fackeln die Berge herunter- 
kommen. Auch drang wildes Geschrei an unser 
Ohr. Unsere Freunde sammelten sich sofort um 
uns und rieten uns, alle in ein Zimmer zu gehen. 
Wir taten es auch und schlossen die Tür hinter 
uns zu, während sie, mit Buschmessern und Speeren 
bewaffnet, den Treppenaufgang und die Tür zu 
dem Zimmer bewachten. Mittlerweile wurde es 
hell. Unten im Dorfe hörten wir Kriegsgeschrei. 
Man hatte sich zunächst zu dem uns freundlich 
gesinnten Häuptling gewandt, und als man ihn 
nicht vorfand, sein Haus geplündert und ihn seines 
Eigenmums beraubt. Durch einen Schüler erfuhren 
wir, daß die Zahl der Plünderer etwa 250 be- 
trug. Missionar Herwig schickte einen Boten zu 
dem Anführer der Horde und ließ ihm sagen, er 
möchte hinaufkommen zur Station, seine Begleiter 
aber müßten unten im Dorfe bleiben. Er kam 
anch. Wir fragten ihn, was sie wollten und 
warum sie gekommen seien. „Jch will euch holen,“ 
war die Antwort, „die Engländer haben mich 
dumit beauftragt.“ MWir verlangten einen Aus- 
weis; er hatte aber keinen. Als wir uns weigerten 
*o
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.