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Kriegswirnungen in Kamerun.
Die Kämpfe in Kamerun zwischen den Euro-
päern, die schmähliche Behandlung der Deutschen
haben natürlich die wilden Leidenschaften der ein-
geborenen Bevölkerung geweckt. Es ist geradezu
als ein Wunder anzusehen, daß niemand von der
Zivilbevölkerung sein Leben eingebüßt hat. Wie
trostlos sich die Verhältnisse gestalteten, davon
gibt der im neuesten Blatt der Deutschen Baptisten-
mission veröffentlichte Bericht der Frau Missionar
Keßler, die mit den Missionaren Herwig und
Kroitzsch auf der Station Ndogongi im Innern
weilte, einen betrübenden Eindruck. Der Artikel
lautet im wesentlichen, wie folgt:
Nachdem die Küstenorte von den Feinden be-
setzt waren und der Gouverneur sich mit den
deutschen Truppen in das Innere zurückgezogen
hatte, glaubten die Eingeborenen, mit der
deutschen Regierung sei es jetzt aus. Sie sagten
sich: „Der Gouverneur ist nicht mehr da,
und die deutschen Gesetze gelten nichts
mehr.“" Hierin wurden sie von den Engländern
und Franzosen bestärkt und besonders auch von
den Dualanegern aufgewiegelt. Die Häuptlinge
und Stämme, die noch treu zur Regierung hielten,
wurden überfallen, ausgeplündert und zum Teil.
auch ermordet. Aus Furcht sind dann viele der
Eingeborenen auf die Seite der Engländer und
Franzosen getreten.
Nachdem die Gefangennahme und Wegführung
aller Deutschen aus den Küstengebieten unter der
Buschbevölkerung bekanntgeworden war, richtete
diese auch allmählich ihre Aufmerksamkeit auf die
Inlandmissionsstationen. So hatten auch die
Duala wiederholt versucht, die Nachbarstämme
um Ndogongi zu bewegen, uns einzufangen und
nach Duala zu bringen, indem sie ihnen sagten,
daß sie von den Engländern eine große Belohnung
für unsere Auslieferung erhalten würden. Doch
unsere heidnischen Nachbarn wagten nicht recht,
uns anzugreifen, denn sie fürchteten sich vor den
Gewehren der Weißen. Einige von ihnen gingen
zwar nach Duala und machten die Engländer auf
uns aufmerksam; diese kamen jedoch selbst nicht
zu uns, der Weg schien ihnen zu beschwerlich zu
sein. Dagegen sollen sie den Eingeborenen Ver-
sprechungen von Geschenken gemacht haben für
jeden Deutschen oder jeden Soldaten der Schutz-
truppe, den sie einliefern würden.
Anfang Dezember wurde in Lokat, vier bis
fünf Stunden von unserer Station entfernt, ein
Schutztruppensoldat ermordet; eine Hand
wurde ihm abgehauen und mit seinem Ge-
wehr zu den Engländern nach Duala ge-
bracht. Es soll dafür eine Belohnung ansgezahlt
worden sein. Bald darauf wurden Arbeiter,
die für die deutsche Regierung goarbeitet
hatten, jetzt aber entlassen waren, ausgeraubt,
überfallen und ermordet. Auch ihre Hände
wurden nach Duala gesandt. Am 23. De-
zember kam ein schwarzer Soldat von Jabassi
in Begleitung eines Missionsschülers aus Nyam-
tang nach Ndogongi. Er sollte uns eine Bot-
schaft überbringen. Am 24. Dezember morgens
wurde er samt dem Schüler in der Nähe unserer
Station ermordet aufgefunden. Gewehr und
Hand wurden wieder den Engländern über-
bracht. Wir sahen beide, Soldat und Schüler,
verstümmelt und tot in der Nähe unserer Station
liegen.
Am 26. Dezember brachte uns einer unserer
Stationsschüler die Nachricht, daß die Nachbar-
stämme einen Beschluß gefaßt hätten, uns am
nächsten Morgen (Sonntag) während des Gottes-
dienstes zu überfallen und zu töten. Sie hatten
diesen Zeitpunkt gewählt in der Annahme, daß
wir zum Gottesdienst unsere Gewehre nicht mit-
nehmen würden, und sie uns dann leichter über-
wältigen könnten. Wir wachten die ganze Nacht.
Einige Leute unserer Umgebung, die unter den
Einfluß des Evangeliums gekommen waren, und
der größte Teil unserer Dorfbewohner blieben bei
uns. Wir packten die nötigsten Sachen, um, wenn
möglich, doch noch zu entkommen. Wo aber
sollten wir hin? Uberall waren Menschen, die
um der ausgesetzten Belohnung willen es auf uns
abgesehen hatten. Es blieb daher nichts anderes
übrig, als den Morgen abzuwarten, aber es waren
lange, bange Stunden. Um 4½ Uhr morgens
sahen wir Leute mit Fackeln die Berge herunter-
kommen. Auch drang wildes Geschrei an unser
Ohr. Unsere Freunde sammelten sich sofort um
uns und rieten uns, alle in ein Zimmer zu gehen.
Wir taten es auch und schlossen die Tür hinter
uns zu, während sie, mit Buschmessern und Speeren
bewaffnet, den Treppenaufgang und die Tür zu
dem Zimmer bewachten. Mittlerweile wurde es
hell. Unten im Dorfe hörten wir Kriegsgeschrei.
Man hatte sich zunächst zu dem uns freundlich
gesinnten Häuptling gewandt, und als man ihn
nicht vorfand, sein Haus geplündert und ihn seines
Eigenmums beraubt. Durch einen Schüler erfuhren
wir, daß die Zahl der Plünderer etwa 250 be-
trug. Missionar Herwig schickte einen Boten zu
dem Anführer der Horde und ließ ihm sagen, er
möchte hinaufkommen zur Station, seine Begleiter
aber müßten unten im Dorfe bleiben. Er kam
anch. Wir fragten ihn, was sie wollten und
warum sie gekommen seien. „Jch will euch holen,“
war die Antwort, „die Engländer haben mich
dumit beauftragt.“ MWir verlangten einen Aus-
weis; er hatte aber keinen. Als wir uns weigerten
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