Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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mangelnde Pflege unter den Kindern in den ersten 
Lebensjahren forderten, waren allerdings auch 
sehr groß. Beachtung verdient hier ein von den 
Missionarinnen der amerikanischen Mission in Luebo 
eingerichteter Unterricht für Wöchnerinnen in der 
Kinderpflege. Die Missionarinnen ließen sich die 
in der Nähe ihrer Mission geborenen Kinder 
zweimal wöchentlich vorführen und erteilten den 
Müttern Unterweisung in der Pflege und Haltung 
der Kinder. Diejenigen Mütter, deren Kinder 
nach Ablauf eines Monats am besten gehalten 
waren, erhielten kleine Preise: ein Verfahren und 
eine Beschäftigung für weiße Frauen in den 
Tropen, die wohl auch in unseren Kolonien 
Nachahmung verdiente. 
Die Verwaltungs= und Gerichtsorganisation 
des Bezirks. 
Solange die Konzession der Compagnie du 
Kasai bestand (vgl. hierüber weiter unten), kümmerte 
sich der Staat kaum um diese Gebiete. Er 
unterhielt in dem heutigen Kasaibezirk nur die 
Station Luluaburg, außerdem in den früher 
noch zum Kasaibezirk gehörenden angrenzenden 
Gebieten die Stationen Kanda-Kanda und Dilolo. 
Luebo war in den letzten Jahren vor Ablösung 
der Konzession der Compagnie du Kasai ebenfalls 
aufgegeben. Man ließ die Compagnie du Kasai 
nach ihrem Belieben schalten und walten, und es 
ist daher nicht verwunderlich, wenn sich in der 
Vorstellung der Eingeborenen die Begriffe Staat 
und Compagnie du Kasai zu einem einzigen ver- 
schmolzen. Hatte doch auch die Compagnie eine 
eigene Polizeitruppe. Heute beginnen die Ein- 
geborenen den Unterschied zu verstehen, und die 
seit dem 1. Januar 1914 durchgeführte Ver- 
waltungsorganisation wird dazu beitragen, dies 
Verständnis zu verallgemeinern. 
Verwaltungstechnisch hängt der Bezirk vor- 
läufig noch unmittelbar von dem Generalgouverne-= 
ment in Boma ab. Die Durchführung der Provinz-= 
einteilung des Kongo dürfte ihn wahrscheinlich 
dem Bizegeneralgouvernement in Kinshafa zu- 
weisen. Sitz des Bezirksamtmannes ist vorläufig 
noch Luebo, an der Einmündung des gleichnamigen 
Flusses in den Lulua und am Endpunkt der 
Schiffbarkeit dieses Flusses gelegen. Doch war 
geplant, den Sitz des Bezirksamts nach Dioko- 
Punda an den Endpunkt der Schiffbarkeit des 
Kasai zu verlegen. Die ersten Rodungsarbeiten 
waren in Djoko-Punda schon eingeleitet. Für 
die Verlegung des Bezirksamts sprechen folgende 
Erwägungen: 
1. der Kasai bleibt das ganze Jahr hindurch 
für die kleineren Dampfer schiffbar, während der 
  
Lulua in der Trockenzeit selbst für die kleinen 
„Délivrances“ außerordentliche Schwierigkeiten 
bietet; 
2. die Eisenbahn Bascongo—Katanga wird 
zwar Djoko-Punda, nicht aber Luebo berühren; 
3. die Verbindung der Diamantminen am 
Tshikapa mit Europa erfolgt über Djoko-Punda; 
4. das Innere des Bezirks ist leichter von 
Djioko-Punda als von dem durch sehr steile Täler 
abgeschnittenen Luebo zugänglich. 
Gegen die Verlegung spricht, daß um Luebo 
eine auf etwa 20 000 Seelen geschätzte Bevölke- 
rung ansässig ist, die zwar nicht die Urbevölkerung 
der Gegend, sondern erst dem Europäer dorthin 
gefolgt ist, die aber trotzdem schon dort Boden- 
werte geschaffen hat. In Djoko-Punda fehlt es 
bisher ganz an einer Bevölkerung. Der dichte 
Urwald daselbst erschwert die Niederlassung er- 
heblich. In Dijioko-Punda ist die Glossina 
palpalis nach den Angaben des Regierungsarztes 
verhältnismäßig zahlreich, in Luebo dagegen sehr 
selten. Die Aussichten des Bahnbaus sind, wie 
noch weiter unten zu zeigen sein wird, vorläufig 
recht gering. Für die Diamantminen der For- 
minidre wird Djoko-Punda stets nur ein Durch- 
gangsposten bleiben, der Hauptsitz dieser Gesellschaft 
wird stets im eigentlichen Diamantengebiet, d. h. 
in Tshikapa selbst bleiben. Nicht zu vergessen 
bleibt schließlich, daß gerade jetzt der Zeitpunkt 
für die Vornahme der Verlegungsarbeiten im 
Hinblick auf die ungünstigen Finanzverhältnisse 
der Kolonie denkbar schlecht gewählt ist. Denn 
wenn auch die Anlagen in Luebo zur Zeit noch 
recht primitiv sind und eine Erweiterung erforder- 
lich machen sollten, so dürften sie doch keineswegs 
so hohe Kosten verursachen wie die Neuschaffung 
eines Postens in dem bisher von Urwald bedeckten 
Dioko-Punda. Wird die Bahn Bascongo —Katanga 
nicht gebaut, dann fällt ein wesentlicher Grund 
für die Verlegung fort. Wird sie aber gebaut, 
so bleibt abzuwarten, ob alsdann nicht der Be- 
zirksamtssitz in den eigentlichen Bevölkerungszentren 
im Innern des Bezirks, die ja auch alsdann eine 
gute Verbindung mit dem Meere hätten, wesent- 
lich zweckmäßiger wäre. Hiernach erscheint die 
Frage der Verlegung des Bezirksamtssitzes zur 
Zeit noch nicht spruchreif, und es dürfte, um den 
so häufig im Kongo gemachten Fehler der Ver- 
legung von Posten nach Augenblicksbedürfnissen 
zu vermeiden, sich empfehlen, bis auf weiteres 
den Amtssitz in Luebo zu belassen. 
Der Bezirk ist durch Verfügung des General- 
gouverneurs vom 28. November 1913 in folgende 
10 Territoires geteilt: Basongo, Kamtscha-Lubue, 
Haute-Loange, Mushenge, Luebo, Luluaburg, Ka- 
lamba, Sadi, Dibaia und Luisa. Die ungefähren 
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