W 79 20
Kasai) erledigte sich der aus ihrer Konzession
herrührenden moralischen Verpflichtung, für die
kulturelle Hebung der Eingeborenen etwas zu tun,
dadurch, daß sie der katholischen Mission direkt
und indirekt einen erheblichen Zuschuß zukommen
ließ, sich gleichzeitig dadurch die Freundschaft dieser
einflußreichen Partei in Belgien sichernd.
Um die Zuführung der Eingeborenen zum
Christentum bemühen sich im Bezirk beide Kon-
fessionen mit gutem Erfolge: für die protestan-
tische Richtung sind es die American Presbyterian
Congo Mission und seit kurzem die gleichfalls
amerikanische Congo Inland Mission, für die
katholische Richtung sind es die „Zendelinge van
Scheut", die Pores de Scheut. Beide Missionen
haben im Jahre 1891 ihr Werk im Bezirk be-
gonnen, und beide Missionen hatten das Glück,
lange ZJahre über Leiter zu verfügen, die sich bei
den Eingeborenen einen weit über ihre rein missio-
narische Tätigkeit hinausreichenden Einfluß zu
verschaffen wußten: die katholische Mission über
den kürzlich nach Europa zurückgekehrten Aposto-
lischen Präfekten Pere Cambier, die amerikanische
Mission über ihren noch heute in Luebo wirkenden
Leiter Dr. Morrison.
Die American Presbyterian Congo Mission
unterhält zur Zeit sechs Stationen. Die Zahl
der zu ihr gehörenden farbigen Christen betrug
10 360, die Zahl der zwar noch nicht getauften,
aber schon unter dem Einfluß der Mission stehenden
Eingeborenen 67 500, die Zahl der täglich unter-
richteten Schüler 6500, die Zahl der Missionare
und Missionarinnen insgesamt 35. Die Zahlen
für die katholische Mission sind ganz ähnlich: die
Zahl der Stationen beträgt ebenfalls sechs, die
Zahl der Pöres 30, der Schwestern 15, der
Brüder 12, die Zahl der katholischen Christen
etwa 20 000, die Zahl der Katechumenen etwa
10 000, die Zahl der Schüler und Schülerinnen
6033. Beide Missionen haben auf die Dörfer
in der Umgegend ihrer Stationen eine große
Zahl von farbigen Katechisten verteilt, die die
täglichen Gebete abhalten und auch in gewissem
Umfang Unterricht im Lesen und Schreiben der
Eingeborenensprache erteilen. Beide Missionen
stützten sich in der ersten Zeit ihres Bestehens
auf freigekaufte Sklaven, die sie in der Nähe
ihrer Stationen ansiedelten, hatten aber mit diesen
schon erwachsenen Personen keinen sonderlichen
Erfolg. Beide Missionen hatten in der ersten
Zeit ihres Bestehens überhaupt nur geringe Fort-
schritte zu verzeichnen und erst in den letzten
Jahren ist hierin ein Wandel eingetreten. In
erster Linie sind es die Baluba und die Bena
Lulua, die sich dem Christentum zuwenden. Wiss-
manns Einschätzung dieser Stämme als besonders
für die Missionierung geeignet hat sich also als
durchaus richtig erwiesen (uvgl. Wissmann, Im
Innern Afrikas, S. 158). Die katholische Mission
erhält einen erheblichen jährlichen Zuschuß seitens
des Staates, die amerikanische Mission lehnt jede
Unterstützung durch den Staat in Geld ab, um
sich die nötige Freiheit in ihren Entschließungen
zu wahren.
Interessant ist die Stellung des Leiters der
amerikanischen Mission zur Frage der Polygamie
der eingeborenen Christen. Gestützt auf die in
der Bibel für die erste Zeit des Christentums
gegebenen Beispiele der Polygamie von Gemeinde-
mitgliedern nimmt er auch Polygamisten in die
christliche Gemeinschaft auf und anerkennt damit
einen Zustand, der von der katholischen Kirche
in unseren Kolonien höchstens stillschweigend ge-
duldet und von den protestantischen Missionen
Togos und Kameruns gänzlich verworfen wird.
Er sagt sich, daß er die bereits erwachsenen und
einflußreichen Personen anders nicht an die Kirche
heranziehen kann. Mit ihnen gewinnt er aber
einmal die Kinder und kann bei ihnen auf strenge
Befolgung der christlichen Grundsätze von Jugend
auf halten, anderseits kann er auch so bei den
Erwachsenen allmählich auf eine Anderung ihrer
Anschauungen hinwirken.
Neben ihrem religiösen Wirken verdient bei
der amerikanischen Mission vor allem ihre prak-
tische Tätigkeit (ich verweise auf die an anderen
Stellen des Berichts erwähnte ärztliche Fürsorge,
die Kleinkinderpflege, Einführung der Baumwoll-
kultur usw.) uneingeschränkte Anerkennung, be-
denklich vom deutschen Standpunkt ist jedoch die
Verwendung farbiger amerikanischer Missionare,
denen die Mission die gleichen Rechte wie den
Weißen einräumt.
Neben den beiden genannten großen Mis-
sionen tritt die noch ganz in den ersten Anfängen
steckende Congo Inland Mission mit ihren beiden
Stationen in Djoko-Punda und Kalamba und
insgesamt sechs Missionaren und Missionarinnen
vorläufig an Bedeutung zurück.
Der Grundbesitz der katholischen Mission beträgt
in St. Joseph 800 ha, in Hemptinne 400 ha, die
fast vollständig mit Kaffee und Kautschuk bepflanzt
sind oder als Weidegang dienen, in Mérode
800 ha, in Demba 200 ha, in Thielen 400 ha
und in Luebo 3 ha: bei der dichten Besiedlung
gerade in den Missionszentren schon eine außer-
ordentlich große Landzuweisung, zumal die Mission
sich abgesehen von ihrer Pflanzung in Hemptinne
nicht mit Kulturen befaßt, sondern die erforder-
lichen Lebensmittel in sehr richtiger Weise von
den Eingeborenen kauft.
Beide Missionen erklärten übrigens ausdrück-
lich, daß die aus ihren Schulen hervorgehenden