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und Schiffen der nicht beteiligten Staaten eine unterschiedliche Behandlung eintreten
lassen. Inwieweit sie von diesem Rechte, insbesondere auch Deutschland gegenüber,
Gebrauch machen werden, bleibt abzuwarten. Zweifellos bedeutet diese Einschränkung
einen Rückschritt gegenüber der weitherzigen Regelung der Kongoakte.
Die bisherige Obergrenze für die Einfuhrzölle, die bekanntlich auf 10 v. H. des Wertes
der eingeführten Waren festgesetzt war, wird beseitigt. Die Territorialmächte sind also
frei hinsichtlich ihrer Tarifpolitik, nur ist ihnen jede unterschiedliche Behandlung der
Vertragsmächte bei den Einfuhrzöllen wie bei den sonstigen Abgaben untersagt.
Aufgegeben ist das Verbot der Verleihung von Monopolen in bezug auf den Handel.
Ansdrücklich ist statt dessen jedem Staat das Recht eingeräumt, über sein Vermögen frei
zu verfügen und für die Ausbeutung der natürlichen Schätze des Landes Konzessionen
zu erteilen, mit der einzigen Einschränkung, daß bei der allgemeinen Regelung der Frage
keine unterschiedliche Behandlung der Angehörigen der Vertragsmächte vorgesehen
werden darf. Es ist klar, daß damit ein wesentlicher Teil der Kongoakte gefallen ist,
wenn es sich dabei auch um denjenigen Teil handelt, der in der Vergangenheit am
meisten umgangen worden ist.
d) Die Schiffahrtsfreiheit im konventionellen Kongobecken und im Stromgebiet des Niger
wird zwar ungefähr in demselben Umfange aufrechterhalten, aber eine neue Klausel bietet
den Uferstaaten die Möglichkeit zu allerhand Beschränkungen. Es ist nämlich vorgesehen,
daß, soweit die Benutzung der Wasserstraßen nicht für mehrere Uferstaaten notwendig ist,
die Territorialmacht in bezug auf das Verwaltungssystem unter der Voraussetzung, daß
sie keine unterschiedliche Behandlung der Vertragsmächte einführt, freie Hand behält.
5. Die Bestimmungen über den Schutz der Eingeborenen, der Missionen und der wissen-
schaftlichen Erforschung sind in einem einzigen Artikel zusammengefaßt und enthalten lediglich ganz
allgemeine Vorschriften, die zum guten Teil wörtlich aus der Kongoakte entnommen sind. Die
Erwartung, daß auf diesem Gebiete die Revision der Kongoakte wesentliche Fortschritte in Gestalt
eingehender Regelung gewisser Gebiete der Eingeborenenpolitik bringen würde, ist also enttäuscht
worden. Hinsichtlich der Bekämpfung der Sklaverei und des Sklavenhandels ist unter Verzicht auf
die eingehenden Abmachungen der Brüsseler Generalakte auch lediglich eine allgemeine Verpflichtung
statuiert worden, wobei man vielleicht von der Annahme ausgegangen ist, daß letztere Vorschriften
durch die tatsächliche Unterdrückung des Sklavenhandels im wesentlichen ihre Erledigung ge-
funden haben.
6. Das Branntweinabkommen bedeutet einen wirklichen Fortschritt insofern, als es ein
vollständiges Einfuhr-, Verkaufs= und Herstellungsverbot für geistige Getränke jeder Art ausstellt
und ausnahmsweise für den Vexbrauch die Europäern zugelassene Einfuhr geistiger Getränke an
einen Minimalzoll von 800 Franken für das Hektoliter reinen Alkohols (in italienischen Kolonien
nur 600 Franken) bindet.
7. Nicht erneuert sind die Bestimmungen über die Neutralisierung des konventionellen
Kongobeckens und über die Freiheit der Schiffahrt auch in Kriegszeiten. Über die Gründe, die zu
diesem Verhalten geführt haben, ist noch nichts verlautet. Ebensowenig enthalten die Verträge
irgendwelche Bestimmungen über die Einschränkung der Rüstungen und die Militarisierung der Ein-
geborenen in Afrika. Inwieweit etwa das Waffenabkommen Vorschriften hierüber enthält, bleibt
abguwarten.
Aufrechterhalten ist die Klausel der Kongoakte, die die Territorialmächte verpflichtet, in
ihren Ländern ausreichende Verwaltungs= und Polizeieinrichtungen aufrechtzuerhalten, während auf
die Festlegung der Voraussetzungen für die Anerkennung der Besetzung neuer Gebietsteile natur-
gemäß verzichter werden könnte.
9. Was die Sicherung der Ausführung des Vertrags betrifft, so hat man davon abgesehen,
die Bestimmungen über die Internationale Schiffahrtskommission des Kongo, die tatsächlich niemals
ins Leben getreten ist, zu erneuern. Zur Kontrolle der Durchführung des Branntweinabkommens
wird unter der Autorität des VBölkerbundes ein internationales Kontrollbureau errichtet, das etwa
die gleiche Aufgabe haben wird wie das bisherige Bureau in Brüssel. Neu und von erheblicher
Bedeutung ist die Schiedsgerichtsklausel, die alle Streitfragen, die bei der Anwendung der Verträge
entstehen, an ein gemäß der VBölkerbundssatzung zu errichtendes Schiedsgericht verweist.
Im ganzen betrachtet, kann die Revision des Vertragssystems der Generalakten von Berlin
und Brüssel, wie sie durch die neuen Verträge erfolgt ist, als keine befriedigende Lösung der für
die weitere Entwicklung der kolonialen Frage überaus wichtigen Fragen angesehen werden.
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