Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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einmal so viel Löffel fertigen konnte, als früher. Da gab es Gelegen- 
heit zu einem schönen Verdienste und dies erweckte in Tausenden von 
Arbeitern die Lust, sich der Löffelschmiederei zuzuwenden, weshalb 
der Andrang zu dieser Beschäftigung zusehends wuchs. Da wurde 
in und um Beierfeld, Sachsenfeld, Neuwelt, Pfannenstiel, Raschau, 
Grünstädtel, Aue, Grünhain r2c. vom frühen Morgen bis zum späten 
Abende gehämmert, verzinnt, und Millionen fertiger Löffel wanderten 
auf die Leipziger Messe, um von hier aus in fast alle Gegenden 
Europas ausgeführt zu werden. Jene Erfindung trug überhaupt 
dazu bei, von nun an die Verfertigung der Blechlöffel fabrikartig zu 
betreiben. Schlosser schmiedeten die Blechplatten, die eigentlichen 
Löffelarbeiter formten, „verteuften“ und verzinnten sie. Heute noch 
ist die Blechlöffelfabrikation ein wichtiger Erwerbszweig für die Be- 
wohner jener Gegenden. 
Auch in anderen Theilen Sachsens erlebten die Gewerbtreibenden 
die Freude, ihre Geschäfte immer mehr aufblühen zu sehen. Namentlich 
wurde die Nachfrage nach Zwillich, Drillich und Damast zusehends 
größer. Eine außerordentliche Ausdehnung gewann ferner der Lein- 
wandhandel, da immer bedeutendere Sendungen nach Bayern, Ham- 
burg, nach der Schweiz, nach England, Spanien, nach der Türkei 
und nach Rußland gingen. 
Recht glänzend waren ferner die Geschäfte der Tuchmacher, 
namentlich in Roßwein, das über 300 Tuchmachermeister zählte, ferner 
in Döbeln mit mehr als 200 Tuchmachermeistern, ebenso in Leisnig, 
Grimma, Kirchberg, Camenz. Nur ein Erwerbszweig wollte damals 
nicht recht blühen, und dies war die Strohflechterei in der Kreischaer 
Gegend. In jener Zeit verlor der Strohhut bei den höheren Ständen 
sein Ansehen; „jetzt setzen die Frauen lieber Gold und Seide auf den 
Kopf“, klagte (1711) der Pfarrer in Lockwitz, „wodurch das nützliche 
Geschäft der Stroharbeit immer mehr verfällt.“ 
76. Das erste allgemeine Zuchthaus. („Brinz Lieschen“.) — Eigen- 
thümliche Strafen. — Yas Postwesen. (Adam Eriedrich Bürner.) — 
Brandversicherungskuasse. 
Bis zum Jahre 1716 besaß Sachsen kein allgemeines Zucht- 
haus, sondern die einzelnen Städte hatten für Gefängnisse zu sorgen, 
in welchen Diebe und andere Verbrecher ihre Strafe abbüßen mußten. 
Für viele Ortschaften war die Unterhaltung solcher Strafanstalten 
eine drückende Last, weil man verhältnißmäßig mehr Leute zur Auf- 
sicht brauchte, als in einem großen gemeinsamen Zuchthause. In dem 
obengenannten Jahre wurde eine derartige allgemeine Landes- 
anstalt ins Leben gerufen. 
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